Kleine Fußwallfahrt rund um die Touristenhochburg Trastevere

Von den Märtyrern des 21. Jahrhunderts zu Roms ältester Hauskirche

Um die Frömmigkeit der Römer zu beleben, schuf Philipp Neri 1552 die Sieben-Kirchen-Wallfahrt - ein strammer 25-Kilometer-Marsch. Eine kürzere Sieben-Kirchen-Wallfahrt bietet sich rund um den Stadtteil Trastevere an.

Autor/in:
Roland Juchem
Restaurierte Fassade von Santa Maria in Trastevere / © Cristian Gennari (KNA)
Restaurierte Fassade von Santa Maria in Trastevere / © Cristian Gennari ( KNA )

Ob magische Kräfte auf der Tiber-Insel walteten oder diese sich, mitten im Fluss gelegen, als Quarantäneort eignete? Sicher ist, dass sich dort, wo heute ein Krankenhaus und eine Kirche stehen, im antiken Rom ein Heiligtum des Gottes Äskulap befand. Auf dessen Fundamenten und zum Teil mit dessen Steinen bauten Roms Christen im 10. Jahrhundert die Kirche San Bartolomeo all'Isola.

Bei ihr beginnt die "kleine Sieben-Kirchen-Wallfahrt". Erdacht hat den Rundgang zu einigen der ältesten christlichen Orte Roms die katholische Gemeinschaft Sant'Egidio, die ihren Sitz in Trastevere - "jenseits des Tibers" - hat.

Romeros Messbuch und Jacques Hamels Brevier

Auf der Insel beginnt die Wallfahrt mit einem Gedenken an die "Ökumene des Blutes". San Bartolomeo ist heute weniger Kirche für Kranke, sondern die der "neuen Märtyrer", die im 20. und 21. Jahrhundert wegen ihres Glaubens getötet wurden.

Zu sehen sind unter vielen anderen das Messbuch von Oscar Romero (gestorben 1980), eine Bibel des pakistanischen Ministers Shabaaz Bhatti (2011), ein Rosenkranz des russisch-orthodoxen Priesters Alexander Men (1990), ein Brief des in Algerien ermordeten Trappisten Christian de Cherge (1996), die Stola des sizilianischen Anti-Mafia-Priesters Giuseppe Puglisi (1993), das Brevier des französischen Priesters Jacques Hamel (2016). Auf dem Altar für die Märtyrer der Nazi-Diktatur stehen unter anderem eine Reliquie und ein Gebetbuch von Maximilian Kolbe (1941), Briefe des evangelischen Pfarrers Paul Schneider (1939) und des österreichischen Kriegsdienstverweigerers Franz Jägerstätter (1943).

Beim Verlassen der Kirche ist rechts in der Vorhalle eine Gedenktafel zu sehen, die an den Besuch Benedikts XVI. erinnert. Er war im April 2008 dort, um die modernen Märtyrer eigens zu würdigen. Von hier führt die erste Etappe nach links über den Tiber.

Ein Blick auf Roms kleinsten Kirchturm

Von der Brücke aus hat man einen guten Blick auf den "Ponte rotto". Der letzte, einsame Brückenbogen von Roms ältester Steinbrücke - erbaut 174 v. Chr. - steht heute quasi unerreichbar mitten im Tiber. Hat man das jenseitige Tiberufer und damit Trastevere erreicht, überquert man die mehrspurige Uferstraße und begibt sich ein paar Stufen hinunter zur Piazza in Piscinula.

Dort ist - wenn man genauer hinschaut - Roms kleinster Kirchturm zu sehen. Die Kirche San Benedetto in Piscinula beherbergt Mauerreste eines Zimmers, in dem sich der junge Benedikt von Nursia bei einem kurzen Studienaufenthalt in Rom betend der Sittenlosigkeit der Großstadt erwehrt haben soll.

Cecilia: Die Heilige hinter Glas 

Links an der Kirche entlang hält man sich Richtung Süden - rechts, zwei Mal links, wieder rechts - und erreicht die Piazza Santa Cecilia. Auf dem Grundstück der heutigen Basilika soll in antiker Zeit das Wohnhaus der Schutzheiligen der Kirchenmusik gestanden haben.

Berühmt ist die in einer Art Glassarkophag liegende Statue der Heiligen, die wegen ihres Bekenntnisses zum Gott der Christen um 220 starb: Aus makellosem weißem Marmor bildete Stefano Maderno um 1600 den am Boden liegenden Körper der römischen Adelstochter nach, mit einer Tunika und einem Kopftuch bedeckt. Man muss genauer hinsehen, um am Nacken die drei Schnittwunden der vom Henker wenig erfolgreich durchgeführten Enthauptung zu sehen. Cecilia verblutete.

Die ihr zu Ehren erbaute Kirche lohnt nicht nur wegen der Heiligen einen Besuch, sondern auch wegen der vielschichtigen Geschichte Roms, die für zwei Euro Eintritt fünf Meter unter der Basilika zu besichtigen ist. Von den Fundamenten römischer Mietshäuser aus dem zweiten vorchristlichen Jahrhundert über Säulen, Amphoren bis zu einem Taufbecken aus dem 5. Jahrhundert bietet das unterirdische Museum so ziemlich alles, was auf dem Gelände gefunden wurde.

Von Santa Cecilia geht es weiter Richtung Südwesten nach San Francesco a Ripa. Der Weg dorthin beweist, dass die heutige Touristenhochburg tatsächlich ein Arbeiter- und Ausländerviertel war.

Zudem erhascht man durch die linken Quergassen einen Blick auf den Aventin-Hügel jenseits des Tibers - mit der Kirche Santa Sabina und dem Hauptquartier des Malteserordens.

Franziskus, Programmkino und Sant'Egidio

San Francesco a Ripa hieß früher San Biagio - zur Kirche gehörte einst auch ein Hospiz. Nach Franz von Assisi wurde die mehrfach umgebaute Kirche benannt, weil der radikale Ordensbruder aus Umbrien hier im Hafengebiet Ripa Grande wohnte, als er ab 1209 insgesamt drei Mal in Rom weilte, um mit dem Papst über seine Gemeinschaft verhandeln.

Sehenswert ist hier die Statue der Ludovica Albertoni (1473-1533).  Gian Lorenzo Bernini (1598-1680) schuf sie in quasi orgiastischer Verzückung eine Vision erlebend.

Wer anderntags ein weniger frommes Programm in Rom sucht, dem empfiehlt sich das unweit gelegene Programmkino "Nuovo Sacher" - wie die Torte - des römischen Regisseurs und Schauspielers Nanni Moretti an der Via di Porta Portese.

Von San Francesco a Ripa geht es die gleichnamige Straße gen Nordwesten bis zur Piazza San Callisto und dem Zentrum von Trastevere: der "Piazza Santa Maria in Trastevere". Auf dieser Etappe überschreitet der Pilger den Viale di Trastevere, die im 19. Jahrhundert geschlagene vierspurige Verkehrsschneise durch das Viertel. Spätestens ab hier mischt sich der Pilger unter die Touristenmassen, die das Zentrum Trasteveres abends schon mal lahmlegen.

Doch gerade abends sind die frisch gesäuberten Mosaiken am Giebel der Hauptkirche Santa Maria besonders gut zu erkennen. Zudem hält Sant'Egidio hier täglich um 20.30 Uhr ein halbstündiges Abendgebet. Für Pilger ein empfehlenswerter Tagesabschluss; außerdem spart man sich den Euro für die Illumination der Mosaiken in der Apsis aus dem 12. Jahrhundert. Die werden während des Abendgebets ohnehin beleuchtet.

Der Tradition nach geht die Kirche auf Papst Calixtus (217-222) zurück; zu dessen Ehren sein Nachfolger Julius I. (337-352) den ersten Bau fertigstellen ließ. Damit gehört San Calisto, später Santa Maria definitiv zu den ältesten Kirche Roms.

Besser Kirche als Kneipe, sagte der Kaiser

Trastevere - die "schäl Sick" des Tibers, wie der Kölner sagen würde - war in der Antike kein angesehenes Viertel. Hier lebten Ausländer, unter ihnen Juden und in deren Folge Christen. Ein Gasthaus für ausgediente Legionäre, eine "taberna meritoria", soll der Ort gewesen sein, an dem sich Roms Christen erstmals versammelten und Gottesdienst feierten.

Einen eskalierenden Streit zwischen Hotelbetreibern und Christen entschied Kaiser Severus Alexander (208-235) zugunsten der Religion: Es sei besser, das Haus werde ein Ort des Gebets als eine Spelunke. Zudem soll es am Ort der heutigen Kirche im Boden eine ölhaltige Quelle gegeben haben. Juden deuteten sie als Hinweis auf den kommenden Messias, der für Christen in Jesus schon erschienen war. Ein Schild an den Stufen zum Chorraum von Santa Maria weist auf die einstige "Ölquelle" hin.

Die jetzige Kirche wurde im 12. Jahrhundert auf den Fundamenten des früheren Gotteshauses errichtet. Die antiken Säulen stammen eventuell aus den gut zwei Kilometer entfernten Caracalla-Thermen. In die Wände der Vorhalle sind Spolien eingelassen: Bruchstücke antiker Grabmale, Mauerstücke und Sarkophage mit griechischen und lateinischen Inschriften sowie Symbolen aus frühester christlicher Zeit. In der Kirche selbst beköstigt die Gemeinschaft zu Ostern und Weihnachten an langen Tischen die Armen Roms: Alte, Alleinerziehende, Flüchtlinge, Obdachlose...

Von katholischen "68ern" zur Petrusbruderschaft

Die vorletzte Etappe der kleinen Sieben-Kirchen-Runde führt durch das Nadelöhr der Touristenströme in Trastevere von der Piazza Santa Maria zur Piazza Sant'Egidio. Von dieser Kirche, einstmals zu einem Schwesternkonvent gehörend, hat die Gemeinschaft ihren Namen. 1973, fünf Jahre nach ihrer Gründung, zog die Gruppe katholischer "68er", die als Initiative zur Betreuung vernachlässigter Schüler begann, hierher und versammelte sich täglich zum Gebet. Heute ist die einstige Konventskirche zu klein, weshalb das öffentliche Abendgebet in Santa Maria stattfindet.

Inmitten von Trasteveres Trubel ist das unscheinbare Kirchlein eine Oase der Ruhe. Links neben der Kirche ist der Eingang zum Hauptquartier der "UN von Trastevere", wie die heute weltweit im Einsatz für Versöhnung, Frieden und soziale Hilfen tätige Organisation genannt wird. Der zweiköpfige, mit MP bewaffnete Militärposten gegenüber steht hier nicht nur wegen der vielen Touristen.

Wer die kurze Sieben-Kirchen-Wallfahrt komplettieren will, muss noch einmal über den Tiber. Von Sant'Egidio aus durch das Gassengewirr über den Ponte Sisto. Von dort gut 170 Meter weit steht die Kirche Santissima Trinita dei Pellegrini.

Die Kirche war früher ein wichtiger Anlaufpunkt für Rom-Pilger, die sich im einstigen Pilger-Hospiz nebenan versorgen lassen konnten. Eine Tafel erinnert an Goffredo Mameli, den Texter der italienischen Nationalhymne "Fratelli d'Italia", der im Hospiz 1849 im Kampf um die Einigung Italiens starb. In der Kirche feiert heute die Petrusbruderschaft sonn- wie werktags die sogenannte Alte Messe.

 

Quelle:
KNA