Der chaldäisch-katholische Erzbischof von Erbil, Bashar Warda, hat den Westen aufgefordert, auf eine Gleichberechtigung religiöser Minderheiten im Irak und anderen islamischen Ländern zu drängen. In einem vom Hilfswerk "Kirche in Not" am Dienstag veröffentlichten Interview beklagte der Bischof, dass die Christen im Irak bis heute als Bürger zweiter Klasse behandelt würden.
Warda wörtlich: "Es gibt immer noch extremistische Gruppen, die immer größer werden, und die behaupten, das Töten von Christen und Jesiden trage zur Verbreitung des Islam bei." Aber auch nach der Verfassung des Irak "sind wir zweitklassige Bürger. Wir sind denen ausgeliefert, die sich uns gegenüber für überlegen erklären."
Seit 1.400 jahren keine Gleichberechtigung
1.400 Jahren Herrschaft des Islam seien letztlich auch 1.400 Jahre der Unterdrückung, auch wenn es gewisse Zeiten der Toleranz gegeben habe, so Warda: "Wir Christen sollen nicht als Gleichgestellte behandelt werden; wir sollen nur toleriert oder nicht toleriert werden, je nachdem wie sehr die Herrschenden der Lehre des Dschihad folgen.
Ja, die Wurzel all dessen ist die Lehre des Dschihad, die zur Rechtfertigung für Gewaltakte herangezogen wird." Die Brutalität und Gewalt der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) habe das Bewusstsein der Welt erschüttert, auch der islamischen Welt.
Die Frage sei nun, "ob der Islam eine politische Richtung bleibt, in der die Scharia die Grundlage des Zivilrechts ist und in der fast alle Aspekte des Lebens der Religion untergeordnet sind oder ob sich eine zivilisiertere und tolerantere Bewegung entwickeln wird".
Idee des Kalifats provoziert Gewalt
Mit der militärischen Niederlage des IS sei die Idee einer Wiederherstellung des Kalifats nicht untergegangen. "Diese Idee ist wiederaufgetaucht und heute in den Köpfen der muslimischen Welt fest verankert", warnte der Erzbischof.
Insofern sei auch die nächste Welle der Gewalt nur eine Frage der Zeit, "denn diese ist das zwangsläufige Ergebnis eines Regierungssystems, das Ungleichheit predigt und Verfolgung rechtfertigt".
Die Zukunftsperspektive für die Christen im Irak sieht der Erzbischof eher düster: "Seien wir ehrlich: In den Jahren bis 2003 gab es hier bis zu eineinhalb Millionen Gläubige, das waren sechs Prozent der irakischen Bevölkerung. Heute sind vielleicht nur noch 250.000 Christen übrig, vielleicht weniger. Und diejenigen von uns, die übrig sind, müssen auf das Martyrium gefasst sein."