DOMRADIO.DE: Was halten Sie von einer erhöhten Mehrwertsteuer auf Fleisch?
Prof. Dr. Michael Rosenberger (Priester und Moraltheologe): Zunächst einmal muss man sagen, dass eine erhöhte Mehrwertsteuer auf Fleisch einige Vorteile hätte gegenüber der jetzigen reduzierten Mehrwertsteuer. Zum einen, weil jede Reduktion der Mehrwertsteuer begründungspflichtig ist. Der Normalfall wäre der volle Satz von 19 Prozent, Ausnahme ist der reduzierte Satz von sieben Prozent. Man müsste schon gewichtige Gründe haben, warum man dem Fleisch diesen reduzierten Mehrwertsteuersatz zugesteht. Und die sehe ich momentan eigentlich nicht gegeben.
Vorteilhaft wäre an der Mehrwertsteuererhöhung auch, dass man damit auch das Importfleisch hineinnehmen würde. Dann hätte man nicht mehr diesen Konkurrenzkampf zwischen inländischen und ausländischen Landwirten, die billiger produzieren – hier wären beide dann alle gleich behandelt.
Und natürlich könnte die Bundesregierung sofort festlegen, dass sie die Mehreinnahmen in etwa – da sind natürlich immer Schätzungen und Schwankungen dabei – in die Förderung zur Verbesserung von Ställen für die Tiere einsetzt. Dann wäre damit auch den Tieren geholfen.
Der große Nachteil dieses Vorschlags ist, dass er momentan noch relativ isoliert dasteht. Ich glaube, es wäre gut, wenn man ihn noch in eine umfassendere Überlegung einbindet, wie man Tierschutz und Klimaschutz voranbringen kann.
DOMRADIO.DE: Jetzt steht auch der Begriff "Fleischsteuer" im Raum. Wo ist denn da überhaupt der Unterschied: Höhere Mehrwertsteuer gegen Fleischsteuer. Können Sie das erklären?
Rosenberger: Soweit ich das verstanden habe, geht es darum, dass man tatsächlich eine separate Steuer nur für das Fleisch einführt. Woran und wie sie sich bemisst, das weiß ich auch nicht. Aber sie wäre sozusagen aus dem üblichen Reglement der Mehrwertsteuer herausgenommen. Ich muss sagen, dass ich den großen Mehrwert einer Fleischsteuer gegenüber diesem vollen Mehrwertsteuersatz nicht wirklich sehe.
DOMRADIO.DE: Lassen Sie uns mal auf die Argumente der Gegner einer höheren Mehrwertsteuer schauen. Die sagen, am Leid der Tiere würde das kaum etwas ändern. Können Sie das nachvollziehen?
Rosenberger: Ja, das kann ich schon. Denn zunächst ist das eine Mehreinnahme an Steuern durch den Staat und diese Maßnahme ändert nichts am Leid der Tiere. Außer dass man sagen kann, es wird wahrscheinlich ein bisschen weniger Fleisch gegessen und damit werden auch weniger Tiere gehalten. Insofern wäre eine gewisse Reduktion gegeben, aber sie wäre überschaubar.
DOMRADIO.DE: Das wird nur etwas bringen, wenn man das, was man da einnimmt, in den Tierschutz investiert.
Rosenberger: Genau. Und eine Schätzung, wie viel diese Mehreinnahmen erbringen würden, lässt sich relativ gut machen. Und dann könnte man sagen, man richtet einen Fördertopf ein, aus dem Landwirte, die die Haltungsbedingungen ihrer Tiere verbessern wollen, etwas schöpfen können. Dann wäre das durchaus eine sinnvolle Maßnahme.
DOMRADIO.DE: Der andere Einwand ist: Höhere Fleischpreise treffen am Ende wieder vor allen Dingen die, die sowieso kaum etwas haben – also arme Leute.
Rosenberger: Das ist sicher so, klar. Auf der anderen Seite müssen wir ja auch davon ausgehen, dass wir in Deutschland viel zu viel Fleisch essen, und zwar alle miteinander. Auch die armen Menschen, die sogar am meisten. Es gibt gute Erhebungen, die zeigen, dass gerade die Ärmsten der Gesellschaft am meisten Fleisch essen. Aber wir leben eigentlich alle mit viel zu viel Fleisch, obwohl es gar nicht gesund ist, so viel Fleisch zu essen.
Außerdem verursacht die Massentierhaltung viele Umweltschäden. Und bei so einer Menge an Fleisch, die wir produzieren, können wir gar nicht garantieren, dass das Tier ein gutes Leben hat. Wir müssen also aus verschiedenen Gründen den Fleischverzehr senken. Wenn wir das über diese Maßnahme tun, dann kann das auch der arme Mensch so tun, dass es für ihn Null auf Null aufgeht.
DOMRADIO.DE: Sie selbst haben ein Buch zum Thema geschrieben: "Im Brot der Erde den Himmel schmecken". Was würden Sie denn für Fleischregelungen empfehlen, um Mensch und Tier gerecht zu werden?
Rosenberger: Im Endeffekt müssten wir dahin kommen, etwa nur ein Viertel der Fleischmenge zu essen, die wir momentan zu uns nehmen. Statt 60 Kilogramm netto, die jeder pro Jahr isst, auf 15 bis maximal 20 Kilogramm herunter.
Dann könnten wir tatsächlich eine richtig gute Tierhaltung garantieren. Und wir könnten uns auch sehr viel gesünder ernähren. Dann wäre das auch klimaverträglich machbar.
Wenn wir jetzt mal die alte kirchliche Tradition anschauen, dann hatten wir da fleischfreie Tage in der Woche, dann hatten wir die Fastenzeit, in der man 40 Tage lang überhaupt kein Fleisch gegessen hat. Dadurch kommt schon mal ein Drittel aller Tage des Jahres zusammen, an denen eigentlich überhaupt kein Fleisch erlaubt war. Und wenn wir wieder ein Stück in diese Richtung gingen und uns damit auch erinnern würden, dass Fleisch etwas ganz Besonderes ist und nicht selbstverständlich, könnte das ein guter Weg sein.
Das Interview führte Hilde Regeniter.