Ungewöhnliche Klänge sind am Mittwochmorgen auf dem evangelischen Matthäusfriedhof in Essen-Borbeck zu hören. "100 Jahre und noch mehr sollst Du leben, RWE", schallt die Reibeisenstimme von Thomas "Sandy" Sandgathe aus dem Lautsprecher. Der Musiker und bekannte Rot-Weiss-Essen-Fan singt zur Eröffnung des RWE-Fan-Friedhofs. Anhänger des Viertligisten können sich künftig auf zwei Grabfeldern direkt neben der Grabstätte des Vereinsgründers Georg Melches (1893-1963) bestatten lassen.
Fan-Friedhöfe gibt es auch bei Schalke 04 und beim HSV. Doch während dort GmbHs für die Fan-Grabfelder auf städtischen Friedhöfen zuständig sind, ist der "RWE-Fan-Friedhof" in Kooperation zwischen einer Kirchengemeinde und dem Fußballverein entstanden. "Gemeinde und Kirche sind da und müssen da sein, wo die Menschen sind und wo ihr Herz schlägt", sagt Pfarrer Christoph Ecker von der evangelischen Kirchengemeinde Essen-Borbeck-Vogelheim. "Und das Herz von RWE-Fans hängt an Rot-Weiss Essen."
"Stätte des Trostes, der Kraft und der Gemeinschaft"
RWE bedeute für viele Fans nicht nur Fußball, sondern auch Gemeinschaft und Solidarität, unterstreicht der Theologe. Der Fan-Friedhof verbinde sie auch über den Tod hinaus mit ihrem Verein. Er hoffe, dass dieser Bereich des evangelischen Friedhofes zu einer "Stätte des Trostes, der Kraft und der Gemeinschaft" werde, sagt Ecker. Von Die Grabfelder bieten zunächst Platz für 60 Urnen und 20 Sargbestattungen, wie Daniel Stender von der Friedhofsverwaltung des Evangelischen Verwaltungsamtes Essen erläutert. Bei großer Nachfrage gebe es auch noch Erweiterungsflächen.
Für die Gestaltung der Fan-Gräber gibt es feste Vorgaben. So ist für jede Grabstätte ein kreisrunder weißer Pultstein mit rotem Zierband vorgesehen, der in roten Buchstaben und Zahlen Namen, Geburts- und Sterbedaten des Bestatteten trägt. Pflanzen mit roten und weißen Farben sollen zusätzlich die Nähe zum Verein unterstreichen. Die Pflege der Gräber übernimmt die Kirchengemeinde.
Flutlichtlampe als Tisch
Teil des neuen Fan-Friedhofs ist auch eine Sitzgruppe zwischen den beiden Grabfeldern aus fünf Original-Sitzschalen der alten Haupttribüne des 2012 abgerissenen und durch einen Neubau ersetzten Georg-Melches-Stadions. Daneben fungiert eine ehemalige Flutlichtlampe als Tisch. Eine Hinweistafel informiert über die Grabstelle der Familie von Georg Melches und die Verdienste des Vereinsgründers.
Das Grab von Georg Melches sei schon immer eine "Pilgerstätte" für die Fans auf dem Weg zu einem Heimspiel im nahe gelegenen Stadion an der Hafenstraße gewesen, sagt RWE-Archivar Georg Schrepper. Der Überlieferung zufolge spielte ein Fußball, den Georg und sein Bruder Hermann 1906 von ihrem Vater zu Weihnachten geschenkt bekamen, eine entscheidende Rolle auf dem Weg zur Gründung des Vereins 1907.
Fan und Helfer
Da der Vereinsgründer keine Nachkommen hatte, übernahm nach Schreppers Worten nach Ablauf der Belegungszeit zunächst ein Förderverein für etliche Jahre die Kosten für die Pflege der Familiengruft. Jetzt sollen die Einnahmen aus dem Fan-Friedhof dazu beitragen, das Melches-Grab langfristig als Erinnerungsstätte zu sichern.
1.090 Euro kostet eine Urnengrabstätte auf dem Gemeinschaftsgrabfeld "Georg Melches" für 20 Jahre, 2.136 Euro der Platz für eine Sargbestattung auf dem Gemeinschaftsfeld "1907" für 25 Jahre, jeweils inklusive Stein und Pflegegebühr. Sechs Reservierungen hat Daniel Stender von der Friedhofsverwaltung bereits entgegen genommen, eine davon vom RWE-Barden Sandy Sandgathe.