Jahrzehntelang hat Angelika Weies als Juristin für eine Wirtschaftsorganisation gearbeitet, sich um Gesetze und Paragraphen gekümmert. Jetzt, im Ruhestand, lassen sie Fragen nach der Lebenssituation alter und pflegebedürftiger Menschen nicht mehr los. "Ausschlaggebend sind ganz persönliche Erfahrungen, die ich beim Aufenthalt meiner Mutter in einem Kurzzeitpflegeheim gewonnen habe", berichtet die 67-Jährige.
Gemeinsam mit rund einem Dutzend weiterer Frauen und Männer absolviert sie deshalb zurzeit in Dortmund beim Evangelischen Johanneswerk eine Schulung, die den Titel "Wegbegleiter" trägt und sich an Ehrenamtliche in Pflegeheimen und Hospizen richtet.
Die Besonderheit des Kurses liegt nach Worten von Diakonin Uta Logemann darin, dass er die Schulung für Besuchs- und Hospizdienst miteinander verbindet. Die Leiterin des Seminars im Dortmunder Theodor-Fliedner-Heim erklärt: "Die Teilnehmer sollen die Heimbewohner während ihrer letzten Lebensphase begleiten, aber damit möglichst nicht erst in den letzten Lebenstagen beginnen." Damit sich Nähe und Vertrauen entwickeln können, brauche es nun mal Zeit.
Zeit, die das Pflegepersonal häufig nicht hat
Seit April kommen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer für einen Zeitraum von sechs Monaten zu Diskussionsrunden und Gesprächsforen zusammen. Neben den 80 Unterrichtsstunden gehört auch ein einführendes Praktikum zu der Schulung. Den Kurs hat das Johanneswerk bereits in Herne und in Beckum organisiert, neben Dortmund wird er zudem in Gelsenkirchen und künftig in Herford angeboten. Das Johanneswerk möchte auf diese Weise Ehrenamtliche für die eigenen Einrichtungen qualifizieren und auf anstehende Herausforderungen vorbereiten.
Die Dortmunder Teilnehmerin Marlit Haber erklärt, indem das Seminar sowohl Theorie vermittle, als auch auf praktische Fragen eingehe, "bekomme ich ein Bild davon, was in den Menschen vorgeht und wie man darauf reagieren kann". Zu ihrer Motivation sagt die 34-jährige Raumplanerin: "Ich möchte mir Zeit für die Menschen nehmen, denn ich weiß, dass das Pflegepersonal sie oftmals nicht in dem Maße aufbringen kann."
Ein offenes Ohr für Bewohner zu haben und sich ihren Fragen und Wünschen zuzuwenden, gehöre zu den wesentlichen Aufgaben der Wegbegleiter, sagt Uta Logemann. Daher lenke der Kurs das Augenmerk darauf, "wie man Signale der Bewohner erkennen kann", um mit ihnen über Bedürfnisse, Ängste oder Probleme zu sprechen.
Aus ihrer eigenen pastoralen Arbeit im Theodor-Fliedner-Heim weiß die Diakonin, dass die Begegnungen mit den Senioren sehr unterschiedlicher Natur sein können. "Sicherlich gibt es viele ernsthafte Momente, aber ebenso wird auch gern gelacht." Mitunter möchten die Bewohner mit den Begleitern auch über Themen sprechen, vor denen sie bei Angehörigen zurückscheuen. Das können Fragen nach dem Tod sein, oder auch eine persönliche Lebensbilanz, erklärt Logemann.
Da ein Teil der Heimbewohner unter Demenz leidet, steht das Krankheitsbild ebenfalls auf dem Seminarplan. Teilnehmerin Marion Mayle hat im engsten Familienkreis erlebt, wie Demenz Menschen und das Leben mit ihnen verändert. Auch wenn es manchmal schwerfalle, komme es doch maßgeblich darauf an, den Betroffenen "ihre Welt zu lassen und ihnen Verständnis entgegenzubringen", sagt die 65-Jährige.
Der Kurs vermittle dazu die wichtigsten medizinischen und auch psychologischen Aspekte.
Schweigen und die Kneipe besuchen
In Rollenspielen bereiten sich die Teilnehmer auf die Treffen mit den Senioren vor. Sie erproben, wie man überhaupt ein Gespräch beginnt, ob auch längeres Schweigen angebracht sein kann oder wie ein Begleiter auf die jeweilige Stimmung des Bewohners reagiert. "Gute Möglichkeit, eine Unterhaltung zu beginnen oder ihr vielleicht auch eine Wendung zu geben, besteht darin, auf Fotos einzugehen, die die meisten Senioren an ihrem Bett aufgestellt haben", sagt Kursleiterin Logemann.
Sollte es mal zu Augenblicken des Schweigens kommen, brauche sich ein Begleiter auch keine Sorgen machen, betont die Diakonin. "Das empfinden die Heimbewohner oftmals keineswegs als unangenehm." Und falls die Patienten so schwer erkrankt seien, dass sie kaum noch sprechen könnten, "bleibt noch die non-verbale Kommunikation".
Wie aber sollen sich Wegbegleiter verhalten, wenn die Patienten mal eher ungewöhnliche Interessen äußern, beispielsweise eine Kneipe besuchen, eine Currywurst essen oder einen Actionfilm im Kino sehen möchten? Da ist sich die Runde einig: Auf solche Wünsche sollte man, wenn eben möglich, eingehen.