Belgiens Bierkultur gehört zum Kulturerbe der Menschheit

Bis zu 12 Prozent Alkohol und jedem Bier sein eigenes Glas

Man hasst es oder liebt es: belgisches Bier. Zwar fehlt ihm das deutsche Reinheitssiegel – aber dafür bietet es eine Vielfalt von Aromen und Nuancen, von der der reine Einheitsbräu der Großkonzerne nur träumen kann.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
Ein Ordensbruder braut am 23. August 2012 in der Abtei von Hamont-Achel, der kleinsten Trappistenbrauerei in Belgien, Bier.  / © Wolfgang Radtke (KNA)
Ein Ordensbruder braut am 23. August 2012 in der Abtei von Hamont-Achel, der kleinsten Trappistenbrauerei in Belgien, Bier. / © Wolfgang Radtke ( KNA )

Bei unserem Nachbarn Belgien dreht sich alles ums Bier. Es hat in der Wallonie und Flandern Kultstatus. Nüchtern betrachtet ist Bier ein alkohol- und kohlensäurehaltiges Getränk, das durch Gärung meist aus Wasser, Malz und Hopfen gewonnen wird. Für einen kontrollierten Start des Gärvorgangs wird in der Regel Hefe zugesetzt. Aber was soll daran Kultur sein?

Die Unesco hat es erkannt. Seit 2016 gehört Belgiens Bierkultur zum immateriellen Kulturerbe der Menschheit. Wohlgemerkt: Nicht das Bier selbst - denn das ist sehr wohl materiell. Es geht um die belgische Liebe zum und das Leben mit dem Bier.

Zwar fehlt dem belgischen Bier das deutsche Reinheitssiegel - wildes Kreuz- und Querprobieren kann ein übles Nachspiel haben. Aber dafür bietet es eine Vielfalt von Aromen und Nuancen, von der der Einheitsbräu großer Bierkonzerne nur träumen kann.

Vielfalt des Bieres ist unerschöpflich

So sind etwa säuerliche Lambic-Biere wie die "Gueuze", die sich durch Spontan-Gärung in offener Lagerung auszeichnen, eine Spezialität Brüssels und des flämischen Pajottenlandes. Saisonbiere findet man vor allem in der Wallonie, dunkle "Oud Bruin"-Biere hauptsächlich in Westflandern. In Abteien wie Chimay ist mit Bier gewaschener Käse entstanden. Auch gekocht wird mit Bier und viel Hingabe.

Aroma, Konsistenz und Abgang unterscheiden sich je nach Region deutlich. Wichtig: Jedes Bier hat sein ganz eigenes Glas. Seinen vollen Geschmack entfaltet es, so will es das Marketing, immer nur im Originalglas und bei einer festgelegten Trinktemperatur. Es sind die Vielfalt dieser Braukünste und die Intensität der belgischen Bierkultur, die sie zu einem echten Kulturerbe machen. Sie gehört zum Alltag und ist oft untrennbar mit Festen verbunden.

Das Mönchtum spielt eine große Rolle

Untrennbar ist das belgische Brauwesen auch vom abendländischen Mönchtum. Den Grundstein habe der heilige Benedikt selbst bereits im 6. Jahrhundert gelegt, berichten die Benediktiner in wohlwollender Lesart. In seiner Ordensregel aus dem Jahr 529, die im Abendland über Jahrhunderte vorherrschte, legte er fest, dass die Mönche alles, was sie zum Leben brauchen, selbst schaffen sollen. So spezialisierten sich in jedem Kloster einige Mönche auf das Brauen. Weil sie häufig auch lesen und schreiben konnten, konnten die Klöster die Bierherstellung stetig weiterentwickeln.

Christliches Heilgetränk

Das mönchisch gebraute Bier wurde wegen seiner beruhigenden Wirkung - der Hopfen! - von den Aachener Synoden zur Klosterreform 816/819 zu einem christlichen Heilgetränk verklärt. Später empfahlen es auch Hildegard von Bingen und Paracelsus zur Wiederherstellung und Kräftigung der Gesundheit.

In mittelalterlichen Klöstern galt Starkbier als Fastengetränk, weil es den Mönchen auch in der Fastenzeit Energie für schwere körperliche Arbeit gab. Die mönchische Speckschicht bot - ähnlich wie in der Tierwelt - auch einen Schutz gegen die Kälte in den ungeheizten Sälen. So bekam der Begriff des "Maßhaltens" eine ganz neue Deutung.

Nur bis zu 13 authentische Trappistenbiere

Besonders streng sind seit jeher die Trappisten. Weltweit gibt es nur 12 bzw. 13 sogenannte authentische Trappistenbiere, sechs davon aus Belgien: Westvleteren, Westmalle, Achel, Chimay, Rochefort und Orval.

Zwei weitere aus den Niederlanden (Koningshoeven, Zundert) entstehen in unmittelbarer Nähe zur belgischen Grenze; und bei einem aus Frankreich ist die Authentizität nicht gesichert: Es firmiert zwar unter der Abtei Mont-des-Cats in Godewaersvelde; hergestellt wird es aber im belgischen Trappistenkloster Scourmont nahe Chimay.

Aus natürlichen Rohmaterialien

Der Alkoholgehalt von Trappistenbieren liegt zwischen sechs und 12 Prozent. Sie werden ausschließlich aus natürlichen Rohmaterialien hergestellt: Quellwasser, Gerstenmalz, Hopfen, Zucker und Hefe. Westvleteren gehört zugleich zu den begehrtesten Bieren der Welt.

Wiederholt zum besten weltweit gekürt, ist es doch nur in kleinen Mengen erhältlich. In Gaststätten werden 15 Euro pro Flasche abgerufen. Nur einmal, als die Abtei ein neues Dach brauchte, wurde der Ausstoß vergrößert und über Zeitungscoupons in einer einzigen Supermarktkette ausgegeben. Ein ganzes Land stand Kopf. Es geht eben um Kultur.


Quelle:
KNA