Weltweit war er als "Bruder der Armen" bekannt und geschätzt: Wie kaum ein anderer verkörperte der brasilianische Erzbischof Dom Helder Camara (1909-1999) nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) die Theologie der Befreiung und die Hinwendung der katholischen Kirche zu den Armen, die auch Papst Franziskus immer wieder betont.
Erste Phase des Seligsprechungsverfahrens abgeschlossen
Nach gut drei Jahren wurde erste Phase des Seligsprechungsverfahrens in seinem Erzbistum Olinda und Recife im Dezember des vergangenen Jahres abgeschlossen. Nun ist die zuständige Kongregation im Vatikan am Zug.
Es scheint fast, als seien zuletzt gerade Personen von schmaler Statur große Persönlichkeiten der Kirche geworden. Wie Mutter Teresa oder Frere Roger zählt Helder Pessoa Camara zu diesen Großen des 20. Jahrhunderts. In den Jahrzehnten nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil war er der bekannteste Bischof Lateinamerikas.
Sein Name steht für eine Kirche, die sich aus der jahrhundertelangen Verstrickung mit den Reichen und Mächtigen gelöst und an die Seite der Armen gestellt hat. Beim Konzil war er ein unermüdlicher Mahner zum prophetischen Aufbruch: "Gott lebt in besonderer Weise in den Armen", so seine Botschaft.
Camara wurde am 7. Februar 1909 als elftes von 13 Kindern einer Familie in Fortaleza geboren. 1931 empfing er die Priesterweihe, engagierte sich rasch für soziale Anliegen und die Arbeiterschaft; 1952 folgte die Bischofsweihe. Wenige Jahre später hatte der junge Weihbischof in Rio de Janeiro sein Bekehrungserlebnis: "Diese Favelas", sagte ihm ein alter Mitbruder, auf die Elendshütten zeigend, "sind eine Beleidigung für den Schöpfer".
Camara erkannte, wie er sagte, in den Armen das Antlitz Jesu und wurde zum prominentesten Kämpfer gegen die soziale Ungerechtigkeit, die er eine "kollektive Sünde" nannte. Camara verkörperte die Theologie der Befreiung.
Gründer der Brasilianischen Bischofskonferenz
Seit 1964 Erzbischof von Olinda und Recife im armen Nordosten Brasiliens, erregte er politisch immer häufiger Anstoß. Er legte sich mit der Militärdiktatur (1964-1985) an, kämpfte für Menschenrechte und die Forderung nach Rückkehr zur Demokratie.
Camara gründete nicht nur die Brasilianische Bischofskonferenz, sondern auch die ersten Basisgemeinden. Als er 1970 in Paris öffentlich über die grauenvollen Folterungen durch brasilianische Militärs sprach, gab es zunächst eine Pressekampagne gegen ihn. Dann schwiegen ihn Brasiliens Medien zehn Jahre lang tot. Kritiker sprachen vom "roten Bischof". In Europa wurde der lateinamerikanische Kirchenmann umso berühmter.
Der furchtlose und tief fromme Mann, der die halbe Nacht im Gebet zubrachte, der das Bischofspalais den Obdachlosen öffnete, war in Kirche und Welt gleichermaßen umstritten. Durfte man die Weltwirtschaftsordnung so pauschal infragestellen, wie dieser Dritte-Welt-Bischof es ungeniert und unermüdlich tat? An dieser Frage schieden sich die Geister. Mit seiner Botschaft "Entwicklung ist Frieden, Unterentwicklung ist Krieg" musste Camara polarisieren.
Verkappter Kommunist?
Unter Papst Franziskus, zwei Jahrzehnte nach seinem Tod und nach einer langen globalen Finanzkrise bekommen manche seiner Äußerungen einen neuen aktuellen, prophetischen Klang.
Camara trat konsequent für das Prinzip der Gewaltlosigkeit ein. Trotzdem galt er vielen als verkappter Kommunist oder politischer Aufrührer. Für seine Anhänger blieb er ein glaubwürdiger Vorkämpfer der nachkonziliaren Kirche für eine gerechtere Welt.
Als er 1985 in Ruhestand ging, bekam seine Erzdiözese einen erzkonservativen Nachfolger, der die Uhren zurückdrehte. Camara hielt sich mit Bewertungen zurück. Papst Johannes Paul II. (1978-2005) würdigte ihn in einem Kondolenzschreiben nach seinem Tod am 27. August 1999 als "engagierten Seelsorger" und erinnerte an seine "unzähligen pastoralen Aktivitäten". Camara ist in der Kathedrale von Recife bestattet. Auch dank einer Stiftung geht sein Wirken in Lateinamerika, Asien oder Afrika weiter.