Im Mittelpunkt der sogenannten Befreiungstheologie steht die "Option für die Armen". Zu ihren bekanntesten Vertretern zählen die Brüder Leonardo und Clodovis Boff aus Brasilien, der nicaraguanische Dichter Ernesto Cardenal, der 1999 verstorbene brasilianische Bischof Helder Camara und der Peruaner Gustavo Gutierrez. Sein Buch "Teologia de la liberacion" von 1971 gab der Bewegung ihren Namen. Auch der 1980 ermordete salvadorianische Erzbischof Oscar Romero wird wegen seiner Hinwendung zu den Armen dazu gezählt
Die Befreiungstheologie reagierte auf die politische und soziale Situation Lateinamerikas in den 1960er und 70er Jahren. Angesichts der Massenarmut hatte 1968 die Versammlung der Lateinamerikanischen Bischöfe einen Weg empfohlen, der als "Option für die Armen" beschrieben wurde. Es entstanden Tausende auch sozialpolitisch engagierter "Basisgemeinden".
Der Vatikan kritisierte, dass bestimmte Vertreter der Befreiungstheologie in ihrer Gesellschaftsanalyse auch marxistische Deutungsmuster gebrauchten und zur Revolution aufriefen. Zahlreiche Theologen und Priester wurden mit Lehr- und Schreibverboten belegt oder suspendiert. Dennoch breiteten sich Denkmuster der Befreiungstheologie auch in Afrika und Asien aus.
Die Glaubenskongregation unter Kardinal Joseph Ratzinger, dem späteren Papst Benedikt XVI. (2005-2013), stellte 1984 und 1986 in zwei Instruktionen die Unvereinbarkeit einer marxistisch verstandenen Befreiungstheologie mit der kirchlichen Lehre fest. Diese Form der Theologie missverstehe die Idee des Gottesreiches und verrate den Glauben zugunsten revolutionärer Projekte.
Nach dem Scheitern des Kommunismus in Europa nahm das Medieninteresse an der Befreiungstheologie ab. In der Sozialverkündigung der Kirche ist die "vorrangige Option für die Armen" bis heute ein tragendes Element. Mit der Wahl des Argentiniers Jorge Mario Bergoglio zum Papst 2013 rückten die Themen Armut und Ausgrenzung wieder verstärkt in den Fokus. (kna)