Frankreichs Bioethikreform rüttelt am Familienbild

Mutter, Mutter, Kind

Ein Spezialausschuss im französischen Parlament beschäftigt sich derzeit mit einer Bioethikreform. Dabei geht es um weit mehr als medizinische Behandlungen. Nicht nur die katholische Kirche hat Einwände. 

Autor/in:
Franziska Broich
Eine Familie wirft lange Schatten / © Matthias Hiekel (dpa)
Eine Familie wirft lange Schatten / © Matthias Hiekel ( dpa )

"Im Grunde sind wir eine sehr klassische Familie", sagt die 34-jährige Marianne aus dem Departement Loiret. Zusammen mit ihrer Partnerin Catherine, 51, zieht sie die achtjährige Clara groß.

Mutter, Mutter, Kind ist ein Konzept, das in Zukunft in Frankreich öfter vorkommen könnte. Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron will das Bioethikgesetz reformieren. Dass die künstliche Befruchtung damit auch für lesbische Paare und alleinstehende Frauen erlaubt werden soll, sorgt für scharfe Diskussionen.

Bereits im Wahlkampf 2017 kündigte Macron an, dass er mehr Menschen Zugang zur künstlichen Befruchtung geben wolle. Doch er ahnte, dass das Thema in Frankreich Potenzial für einen Aufstand hat, ähnlich wie die Ehe für alle im Jahr 2012. Anfang 2018 initiierte er eine landesweite Befragung.

Alle Bürger waren aufgerufen, ihre Meinung zu verschiedenen bioethischen Themen abzugeben. Es ging unter anderem um Leihmutterschaft, Samenspende, die Konservierung von Eizellen sowie aktive Sterbehilfe. Der französische Ethikrat (CCNE) sprach sich anschließend dafür aus, künstliche Befruchtung für lesbische Paare und alleinstehende Frauen zu erlauben, doch gegen die Legalisierung der Leihmutterschaft.

Im Juli wurde der Gesetzesentwurf im Ministerrat präsentiert. Anfang September fanden Anhörungen verschiedener Gruppen statt. Dazu gehörten nicht nur Homo-Verbände, sondern auch Vertreter von Religionsgemeinschaften. Am 23. September soll der Gesetzentwurf im Plenum diskutiert und Anfang Oktober angenommen werden, bevor sich der Senat damit beschäftigt. Die endgültige Annahme ist für Anfang 2020 geplant.

Die katholische Kirche bezog bereits mehrmals klar Position gegen den Vorschlag der Legalisierung der künstlichen Befruchtung für lesbische Paare und alleinstehende Frauen. Kommenden Montag wird die Französische Bischofskonferenz erneut bei einer Veranstaltung im College des Bernardins ihre Position präsentieren.

Erzbischof: Diskriminierung von Kindern

Der Leiter der Bioethik-Kommission der Französischen Bischofskonferenz, Erzbischof Pierre d'Ornellas, machte bei der Anhörung vor dem Ausschuss deutlich, dass er eine Diskriminierung von Kindern in den neuen Regeln sehe. Während das eine Kind selbstverständlich einen Vater habe, werde dem anderen das Recht auf einen solchen genommen, so der Erzbischof. "Es ist das elterliche Projekt, das sich letztendlich dem Kind aufdrängt. Und das einseitig", sagte Ornellas.

Auch der Vizepräsident des französischen Islamrats, Anouar Kbibech, argumentierte gegen den Vorschlag. "Wir sind einverstanden mit der künstlichen Befruchtung eines rechtmäßigen Paars; Vater, Mutter, verbunden durch die Ehe, aber nicht außerhalb davon", sagte er.

Der Oberrabbiner von Frankreich, Haim Korsia, sieht in der Legalisierung der künstlichen Befruchtung für einen weiten Personenkreis einen "großen Bruch in der Gesellschaft". "Den Vater zu streichen wird zu einer schreckliche Verzerrung in den Familien führen", sagte er bei der Anhörung im Ausschuss.

Nicht ganz so klar dagegen stellte sich der Vorsitzende der Protestantischen Föderation Frankreichs, Francois Clavairoly. Die Evolution der Medizin müsse sich auch nach der Nachfrage bei den Patienten richten. Zudem forderte er eine ethische Reflexion der Gesellschaft, wie diese neuen Formen familiärer Strukturen begleitet werden sollten.

Wandelnde Rolle des Vaters

Die sich durch den Gesetzesvorschlag wandelnde Rolle des Vaters beschäftigte auch die Abgeordneten am ersten Diskussionstag. "Wie messen wir das Risiko für Kinder, die Abwesenheit eines Vaters zu institutionalisieren?", fragte der Republikaner Thibault Bazin. "Man kann die Existenz eines Vaters nicht leugnen", fügte sein Oppositionskollege Fabien Di Filippo hinzu.

Herve Soulignac von der Sozialistischen Partei nannte den Schmerz vaterloser Kinder "fragwürdig". Es sei ein "trügerisches Argument", so Soulignac. Aus Sicht von Gesundheitsministerin Agnes Buzyn hingegen darf die zentrale Rolle des Vaters für die Existenz des Kindes nicht geleugnet werden.

Vor den Abgeordneten liegen noch viele Stunden der Debatte und viele offene Fragen: Sollte eine künstliche Befruchtung aus nicht-medizinischen Gründen von der Krankenkasse bezahlt werden? Erfahren Kinder, die so zur Welt kommen, die Identität des Samenspenders?

Eine Frage, die sich auch Marianne und Catherine gestellt haben als sie die künstliche Befruchtung in Belgien vornehmen ließen. "Mit 18 Jahren hat Clara die Möglichkeit, die Identität des Samenspenders zu erfahren", sagen sie. Sie wollten sich nicht dagegen stellen, wenn Clara eines Tages das Bedürfnis verspüre, ihre biologischen Wurzeln kennenzulernen.


Quelle:
KNA