Sorge um das globale Klima, Rodungen und Waldbrände in Brasilien, wo Präsident Jair Bolsonaro die Interessen der Agrar- und Bergbaulobby bedient, der andauernde Kampf bedrohter Völker in Lateinamerika um ihre Rechte, schließlich die Frage, ob es in der römisch-katholischen Kirche bald verheiratete Priester und neue Ämter für Frauen geben könnte: All das gibt der Amazonas-Synode Brisanz - innerhalb der Kirche, aber auch über sie hinaus.
Vom 6. bis 27. Oktober kommen im Vatikan unter dem Motto "Amazonien - neue Wege für die Kirche und eine ganzheitliche Ökologie" Kirchenvertreter und Experten zu Beratungen zusammen. Im Kern geht es um ein geistliches Anliegen - wie in dem riesigen und oft unwegsamen Gebiet von 7,5 Millionen Quadratkilometern zeitgemäß Seelsorge betrieben werden kann. Damit kommen aber rasch heikle Themen auf den Tisch, vor allem die theologische Ämterfrage und die sozial- und wirtschaftspolitische Positionierung der Kirche.
Verkündigung und Ökologie
Die Synode habe einen zweifachen Brennpunkt, betonte Synoden-Generalsekretär Kardinal Lorenzo Baldisseri zum Auftakt. Es gehe um die "Verkündigung des Heils in Jesus Christus", aber auch um Ökologie "angesichts der Bedeutung des Amazonasgebietes für den ganzen Planeten". Ähnlich sagte der brasilianische Kardinal Claudio Hummes, als sogenannter Generalrelator eine Art Moderator des Treffens, es gebe "nicht zwei Krisen nebeneinander, eine der Umwelt und eine der Gesellschaft, sondern eine einzige und komplexe sozio-ökologische Krise".
Anhand eines rund 140 Seiten starken Arbeitsdokumentes beraten die kommenden drei Wochen insgesamt 283 Teilnehmer über die unterschiedlichen Aspekte, unter ihnen 37 Gäste, die als Vertreter von Umwelt- oder Entwicklungsorganisationen oder als wissenschaftliche Experten eingeladen wurden, so etwa der deutsche Klimaforscher (und erklärte Agnostiker) Hans Joachim Schellnhuber.
Hören beim Diskurs im Mittelpunkt
Vorgesehen sind Erörterungen im Plenum - meist im Beisein von Papst Franziskus - aber auch mehrere Tage in kleineren Zirkeln. Nach dem Vorbild lateinamerikanischer Diskurskultur soll mehr das Hören als die scharfe Auseinandersetzung im Mittelpunkt stehen. Beiträge in der Synodenaula sind auf vier Minuten begrenzt. Aus den Wortmeldungen sowie den Ergebnissen der kleinen Runden erarbeitet der Generalrelator ein Schlussdokument, das in der letzten Tagungswoche diskutiert und verabschiedet wird. Es dient dem Papst als Grundlage für ein eigenes Schreiben.
Zur Abstimmung zugelassen sind allerdings nur die 185 Synodenväter - bis auf 21 Teilnehmer alles Bischöfe. Von diesen stammen 113 aus den Kirchenbezirken des Amazonasgebiets, das neun Staaten umfasst; allein aus Brasilien sind 57 Bischöfe gemeldet.
Frauen haben kein Stimmrecht
Unter den Teilnehmern sind 35 Frauen, unter ihnen 20 Ordensfrauen. Sie dürfen mitdenken und mitreden, haben aber kein Stimmrecht. Generalsekretär Baldisseri verwies dafür auf das Kirchenrecht und auf die "Interpretation dieser Normen durch den Papst". Der Kardinal betonte auch, dass auf einen entsprechenden Antrag hin Franziskus schon Ordensmänner ohne Priesterweihe als Synodenväter zugelassen hatte. Ob das Synodensekretariat für das jetzige Bischofstreffen versuchte, eine entsprechende Erlaubnis für Frauen zu erhalten, verriet Baldisseri nicht.
Ein Teil des Austauschs wird ohnehin basisnah außerhalb der Synodenaula stattfinden. Unter dem Titel "Amazonia - casa comun" präsentieren in der Kirche Traspontina unweit des Vatikan Ordensgemeinschaften, aber auch Organisationen wie Survival International ihre Anliegen. Nach dem Wunsch der Hilfswerke Misereor und Adveniat soll die Synode zeigen, "dass Wandel in Politik, Wirtschaft, Technik und nicht zuletzt auch in Kirche möglich ist".
Reformwille und Reformangst
Nach Worten von Kardinal Baldisseri soll auch über mögliche Ausnahmen vom Zölibat ungehindert nachgedacht werden können. "In der Kirche herrscht Meinungsfreiheit", sagte er bei der Vorstellung des Synodenprogramms. Eine solche Debatte, aber auch der Fokus auf der von Kardinal Hummes geforderten "ökologischen Bekehrung" und eine Öffnung gegenüber den Traditionen der rund 390 indigenen Gruppen und Völkern stößt auf Widerstand innerhalb der Kirche.
Ultrakonservative Katholiken befürchten einen Verrat an Kerninhalten des Glaubens und trommeln entsprechend gegen die Synode. Für sie muss es ein böses Omen gewesen sein, dass katholische Indigenen-Vertreter gemeinsam mit Papst Franziskus am Freitag ein von traditionellen Riten geprägtes Schöpfungsgebet in den vatikanischen Gärten abhielten.