DOMRADIO.DE: Die sozialen Medien sind heute ein wesentlicher Faktor in der Gesellschaft. Juristen und Theologen teilen dabei ähnliche Fragen. Wie sind Sie vom Juristen zum Theologen geworden?
Dr. Christian Jasper (Promovierter Jurist und Kaplan in der Kirchengemeinde der Heiligen Familie in Düsseldorf): Juristen beschäftigen sich mit dem Zusammenleben von Menschen und versuchen da die Beziehungen gut zu gestalten und zu gucken, dass es nicht zu ganz großen Streitigkeiten kommt. Jura ist so bunt wie das Leben. Die Juristen diskutieren über alles, was Menschen bewegt. Und trotzdem war für mich irgendwann immer unklarer, was will ich denn eigentlich genau damit machen. Reicht das wirklich, wenn wir nur Gesetzmäßigkeit herstellen oder gibt es nicht doch etwas viel Größeres, existenziellere Fragen, als nur die nach Recht und Recht bekommen? Und das bereichert sich heute ganz gut, weil es viele Fragen nach Gerechtigkeit, nach Freiheit und nach Gleichheit gibt, die sowohl Juristen als auch Theologen bearbeiten. Insofern gibt es da zwei ganz schöne Perspektiven auf dieselben Menschen.
DOMRADIO.DE: Bei Facebook gibt es ja immer wieder das Problem mit grenzwertigen Kommentaren. Stichwort "Hasskommentare". Gelten im Internet andere Regeln als im direkten Gespräch?
Jasper: Juristisch eindeutig nicht. Beleidigung bleibt Beleidigung, egal ob ich die direkt ins Gesicht sage oder ob ich die auf irgendeine Seite schreibe. Aber psychologisch macht das, glaube ich, schon einen Unterschied. Wenn ich einem Menschen von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehe, dann bin ich vermutlich vorsichtiger, mit dem was ich sage, als wenn das so in der großen Anonymität zu verschwinden droht. Manche Leute werden dann vielleicht mutiger als es eigentlich gut wäre.
DOMRADIO.DE: Wenn Sie als Pfarrer einen unangebrachten Kommentar lesen, haben Sie dann ein seelsorgerisches Bedürfnis und denken sich, mit diesem Menschen müsste ich sprechen?
Jasper: Wenn ich denjenigen persönlich kenne, dann auf jeden Fall! Ich würde versuchen ihn bei nächster Gelegenheit anzusprechen und zu fragen: Ich habe da etwas gelesen, was ist denn da bei dir los? Und vielleicht auch weiter: Hast du denn mal darüber nachgedacht, dass da ja auch Menschen am Ende der Leitung sitzen, die das alles lesen müssen und die das auf sich persönlich beziehen?
DOMRADIO.DE: Wenn man an die negativen Seiten der sozialen Medien denkt, stellt man sich vielleicht die Frage, warum die Kirche überhaupt in den sozialen Medien präsent sein soll. Was hat die Kirche Ihrer Meinung nach dort zu suchen?
Jasper: Aus meiner Sicht müssen wir das unbedingt für uns nutzen. Der Glaube lebt immer von Beziehungen und von Bildern. Schon Jesus nutzt im Neuen Testament ständig Bilder, um den Glauben zu vermitteln. Wenn wir die Menschen von heute erreichen wollen, müssen wir das auf allen Kanälen tun, wo sich die Menschen tummeln. Und wenn wir als Kirche das einfach brachliegen lassen würden, dann kommen da andere, die dort ihre Angebote machen. Das darf nicht sein! Wir müssen versuchen, auf allen Wegen die uns zur Verfügung stehen, die Frohe Botschaft ins Gespräch zu bringen.
DOMRADIO.DE: Sind soziale Medien nur dafür gut, um die Menschen zu erreichen oder könnte man auch Funktionen der Kirche über die Neuen Medien ausführen? Also beispielsweise eine Art Digitalisierung der Sakramente?
Jasper: Die Sakramente brauchen die persönliche Begegnung. Die kann man aber vielleicht durch die sozialen Medien anbahnen, weil man einen niederschwelligen ersten Kontakt, eine Kontaktmöglichkeit schafft. Und im Übrigen sind die sozialen Medien ja keine Einbahnstraße. Es ist darüber eben auch möglich, dass Menschen mich anschreiben, ihre Probleme oder Fragen schildern und man so in einen ersten Dialog kommt. Dann würde ich mir wünschen, dass das dann auch möglichst oft in der realen, persönlichen Begegnung mündet.
DOMRADIO.DE: Sie sind ein junger Kaplan und in der Medienwelt drinnen. Die Kirche bewegt sich ja erfahrungsgemäß etwas langsamer. Wo steht ihrer Meinung nach die Kirche in Sachen Digitalisierung und wo könnte es hingehen?
Jasper: Es gibt auf jeden Fall einige Leute in der Kirche, die erkannt haben, dass wir die sozialen Medien für uns nutzen müssen und die machen da auch gute Arbeit. Im Moment ist es oft so, dass jeder sagt, es ist wichtig, dass wir in den sozialen Medien präsent sind. Aber, dass dafür jetzt jemand freigestellt würde und dass man klar sagen würde, deine Aufgabe ist es, Kirchenarbeit in den sozialen Medien zu machen, das passiert nach meiner Wahrnehmung kaum. Soziale Medien sind nicht einfach nur ein Freizeitfaktor, sondern sie bedeuten eben auch viel Arbeit, wenn man das gut machen will. Das müsste auch so organisiert und honoriert werden.
Das Interview führte Heike Sicconi.