DOMRADIO.DE: Papst Franziskus hat an diesem Sonntag die Synode mit einem Gottesdienst eröffnet. Die Bilder sind relativ beeindruckend. Indigene Menschen mit Kopfschmuck sind da zu sehen. Wie haben Sie die Eröffnung erlebt?
Pater Michael Heinz (Hauptgeschäftsführer des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat): Es war für mich das erste Mal, dass ich im Vatikan konzelebrieren durfte. Es war für mich natürlich ein Erlebnis, weil es ein Gottesdienst war, der von der Weltkirche geprägt ist, allerdings noch sehr stark von der römischen Liturgie. Er wurde teilweise auf Latein und in italienisch gehalten und auch die Musik hat noch mehr an Europa erinnert, als an den Amazonas. Man merkte doch schon, das es ein Fest der Kulturen wird, denn mit dem Gottesdienst heute haben wir auch die Amazonas-Synode begonnen. Die Präsenz der indigenen Völker aus Brasilien, aber auch aus Kolumbien und Peru, hat dem ganzen einen weltgeschichtlichen Anstrich gegeben. Vor allen Dingen ist das bei der Gabenprozession herausgestellt worden, wo die indigenen Völker mitgemacht haben.
DOMRADIO.DE: Gehen wir mal gedanklich ins Amazonasgebiet, wo die Katholiken eine kleine Minderheit sind und die ganz anders leben als wir und indigene Traditionen im Leben und im Glauben verfolgen. Wir haben im Vorhinein viel über die Synode diskutiert und darüber gesprochen, was sie erreichen kann. Wenn Sie mit den Menschen dort vor Ort sprechen, was erhoffen die sich denn von diesem Bischofstreffen?
Heinz: Die Menschen erhoffen sich vor allen Dingen eine Unterstützung in ihrer Art und Weise weiterleben zu dürfen, so wie sie das seit Jahrhunderten getan haben. Dafür hat die Kirche sich ja auch schon eingesetzt. Sie erhoffen eine stärkere Unterstützung vonseiten der Kirche. Das betrifft natürlich auch die Inkultivierung, aber vor allen Dingen auch die Rechte, die Menschenrechte, die die indigenen Völker dort haben und die ja ganz stark von großen Firmen bedroht sind. Aber auch von Regierungen, wie Brasilien und Bolivien, die diese Rechte beschneiden wollen, ganz bewusst sogar auch die Präsidenten dieser Regierungen.
DOMRADIO.DE: Was kann die Kirche in so einem Fall überhaupt beschließen und bewegen?
Heinz: Die Kirche kann die Menschen vor Ort unterstützen. Das tut sie auch schon. Die Menschen erwarten aber noch eine stärkere Unterstützung. Die Weltkirche ist ja auch ein weltkirchlicher Player und in allen Ländern und in allen Teilen des Amazonas-Gebiets präsent. Da erhoffe ich mir, und ich denke auch, dadurch dass der Papst diesem Gebiet jetzt eine Synode gewidmet hat, dass das auch nochmal Auswirkungen auf die Weltkirche und vor allen Dingen auch auf die Völker, die dort leben, haben wird. Das ist also ganz konkret eine Stärkung der Menschen vor Ort.
DOMRADIO.DE: Wenn wir in die Schlagzeilen gucken, finden wir aber vor allem ein ganz anderes Thema. Das sind die sogenannten "viri probati", ob der Zölibat in Ausnahmefällen für "gestandene Männer" geöffnet werden kann, die eine eigene Form der Priesterweihe erhalten sollten. Der Grund dahinter ist, dass es im Amazonasgebiet einen großen Priestermangel und weite Wege zu den Gemeinden gibt. Sie als Lateinamerika-Hilfswerk sprechen sich dafür aus. Auf der anderen Seite gibt es auch Ängste und Kritik. Warum braucht es denn Ihrer Meinung nach diese neue Form der Weihe für den Amazonas?
Heinz: Ich habe zehn Jahre in Bolivien gelebt, davon auch sechs Jahre im Amazonas-Anreinergebiet. Das ist eine Erfahrung, wo ich sagen kann, wir als Priester können nicht alle Gemeinden besuchen. Dafür sind wir zu wenige. Das war in der Geschichte Lateinamerikas schon immer so, aber es wird jetzt immer mehr. Und dafür ist es notwendig, dass garantiert ist, dass Sakramente und Eucharistie auch vor Ort gefeiert werden können und wir von der Kirche nicht so etwas wie eine Besucherpastoral machen. Das heißt, dass wir nicht ab und zu mal vor Ort sind, manchmal nur ein zweimal im Jahr sogar, sondern wirklich eine Präsenz vor Ort haben und die Menschen begleiten und mit den Menschen gehen. Dafür ist es notwendig, dass wir auch neue Wege gehen und andere Formen in Ämtern und Ministerien suchen. Und das ist ja auch der Titel der Amazonas-Synode, "neue Wege für die Kirche und eine ganzheitliche Ökologie".
DOMRADIO.DE: Was denken Sie, was hätte das für Konsequenzen auch für uns in Europa? Das ist ja auch eine der Ängste, die von den Kritikern kommt.
Heinz: Ich denke, es wird für uns hoffentlich in Europa zwei Konsequenzen haben. Einmal das kircheninterne Thema sicherlich. Wenn die amazonische Kirche in der Synode dem Papst auch mutige Vorschläge macht, wird das Modellcharakter haben und dann können wir vielleicht etwas von dem lernen, was die Menschen dort tun. Als Weltkirche und gerade auch als Adveniat wollen wir hier zwischen den verschiedenen Kontinenten und gerade zwischen dem europäischen und dem lateinamerikanischen Kontinent eine Brücke sein. Ich denke, wir in Europa sollten uns auch überlegen, das möchten auch wir bei Adveniat fordern, dass wir auf die Menschenrechte schauen, aber auch auf die Situation des Klimas, des Klimawandels, das ja bei uns in Europa ganz stark von den jungen Menschen eingebracht wird. Und das ist ja auch ein Problem und da leiden ja auch die indigenen Völker ganz besonders in Lateinamerika darunter. Ich würde mir erhoffen, dass wir auch gemeinsam auf einen Weg kommen und gemeinsam unsere Erde, das gemeinsame Haus, wie es Papst Franziskus genannt hat, auch schützen werden.
DOMRADIO.DE: In den kommenden drei Wochen diskutieren dann Bischöfe und Experten. Sie sind auch als externer Berater geladen. Was denken Sie, in welcher Form können Sie sich da einbringen?
Heinz: Ich werde mich sicher mündlich einbringen können. Wir können auch in der synodalen Aula Vorschläge in der kommenden Woche und dann ganz sicher auch bei den Gruppenarbeiten, die übernächste Woche starten werden, machen. Das werden Beiträge sein, die ich aus eigener Erfahrung mitbringen kann aber auch aus den Erfahrungen von Adveniat in Lateinamerika. Denn wir sind hier in allen Ländern und auch im ganzen Amazonasgebiet mit unseren Experten und Projektpartnern präsent. Und ich denke, diese Erfahrung wird auch der Synode und so auch der Kirche zukommen.
DOMRADIO.DE: Wenn wir in drei Wochen nochmal sprechen und es dann den Abschluss-Gottesdienst gibt, was denken Sie, was muss bis dahin passiert sein, dass Sie sagen, diese Synode war ein Erfolg und wir können zufrieden wieder nach Hause fahren?
Heinz: Ich denke, es sollten bei der Synode ganz konkrete Vorschläge gemacht werden, die dann auch von den Synodalvätern mitgetragen werden. Es wird ja sicherlich auch ein Abschlussdokument geben, wo man dann hoffentlich auch gewisse, neue Wege einschlagen kann. Das wird dann nochmal ein Prozess sein, wie das umgesetzt wird. Das kommt aber auch sehr darauf an, was von den Synodalvätern vorgeschlagen und auch angenommen wird. Wir haben ja schon einige konkrete Vorschläge im Arbeitsdokument. Dieses Dokument liegt uns allen vor. Und da kommt es ganz drauf an, wie viel davon umgesetzt wird und was man danach konkret machen kann. Da bin ich auch selbst gespannt drauf. Es sollte auf jeden Fall den Schutz des gemeinsamen Hauses betreffen, also was Umwelt, Klima angeht und damit auch die Indigenen. Und es wäre schön, wenn wir zu einer wirklichen Option für die Schöpfung kommen könnten. Die lateinamerikanische Kirche hat ja schon vor über 50 Jahren eine Option für die Armen ausgesprochen und hat dies vor 40 Jahren nochmal verstärkt durch die Option für die Jugend bei ihrem Treffen in Pulpa. Wenn diese Synode eine Option für die Schöpfung geben könnte, dann wäre das sicherlich ein ganz wichtiges Zeichen für die Weltkirche und für die Gesellschaft allgemein.
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.