Zum Ende des dritten Arbeitstags der Bischofssynode im Vatikan am Mittwochnachmittag bete das Kirchenoberhaupt für die Opfer, wie das vatikanische Presseamt am Abend mitteilte. Demnach hatte der Papst auch zu Beginn der Arbeiten am Morgen für die jüdischen Gemeinden gebetet, die an diesem Mittwoch das Hochfest Jom Kippur begehen.
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, und der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, verurteilten den Angriff auf eine Synagoge scharf, bei dem zwei Menschen starben.
Marx erklärte, er sei "entsetzt und erschüttert über den feigen Anschlag". Die Täter hätten offensichtlich gezielt die Synagoge von Halle ausgesucht, um am höchsten jüdischen Feiertag Blut zu vergießen. Der Kardinal betonte: "Wir stehen solidarisch an der Seite der jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger. Antisemitismus oder gar blinde Gewalt dürfen keinen Platz in unserer Gesellschaft haben."
"Beten wir für die Opfer und ihre Angehörigen"
Bedford-Strohm sagte, er sei "fassungslos angesichts dieser Gräueltat". Er rief dazu auf, nicht zuzulassen, dass Juden "in unserem Land ihren Glauben in Angst und Unsicherheit leben müssen. Als Christen wie als Deutsche sind wir aufgerufen, uns dem entgegenzustellen." Denn Antisemitismus sei Gotteslästerung.
"Ich bin erschüttert über die Nachrichten aus Halle", schrieb der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki auf Twitter. "Beten wir für die Opfer und ihre Angehörigen und arbeiten wir gemeinsam daran, dass Juden in Deutschland nie wieder Angst haben müssen."
Der Berliner katholische Erzbischof Heiner Koch erklärte über den Kurznachrichtendienst: "Es lässt mich verzweifeln, dass immer noch Juden bei uns nicht in Frieden und ohne Angst leben können. Ich stehe an der Seite unserer jüdischen Nachbarn und trauere mit ihnen." Darüber hinaus schrieb Koch: "Wir werden nicht zulassen, dass Hass gleich welcher Art, insbesondere aber der Hass auf das Judentum, sein Ziel erreicht, unsere Gesellschaft zu spalten!"
Auch der katholische Magdeburger Bischof Gerhard Feige und der evangelische mitteldeutsche Landesbischof Friedrich Kramer äußerten ihre Erschütterung. Der aus Halle stammende Feige nannte es "eine menschliche Katastrophe, dass Juden in Deutschland nicht in Frieden leben und den Versöhnungstag Jom Kippur feiern können". Kramer nannte die Tat "abscheulich und unerträglich". Alle Menschen guten und friedlichen Willens seien aufgerufen, "einem Klima des Hasses und jeglicher Gewalt entgegenzutreten". Der Bischof von Dresden-Meißen, Heinrich Timmerevers, zeigte sich auf Twitter "zutiefst erschüttert".
Forderung nach besserem Schutz
Hamburgs Erzbischof Stefan Heße forderte nach den Ereignissen einen besseren Schutz jüdischer Gemeinden. "Wir müssen ernsthafter als bisher darüber nachdenken, wie jüdische Mitbürger in Deutschland sicher leben können", sagte Heße im israelischen Tabgha, wo er sich zurzeit mit einer Lehrergruppe aufhält. "Mir ist es wichtig, dass wir uns als Christen solidarisch zeigen mit unseren jüdischen Glaubensschwestern und -brüdern und einen aktiven Beitrag zum Frieden in unserer Gesellschaft leisten."
Es sei unfassbar, welche Taten der Antisemitismus in Deutschland wieder möglich mache, so Heße weiter. Entsetzlich sei, dass die Tat am Versöhnungsfest Jom Kippur, dem höchsten jüdischen Feiertag, geschehen sei. Er denke an die Opfer und die Menschen, die in akuter Lebensgefahr geschwebt hätten.
"Solidarität und Verbundenheit"
Die Laiengemeinschaft Sant'Egidio erklärte ihre Solidarität und Verbundenheit mit der jüdischen Gemeinde in Halle. "Seit vielen Jahren ist Sant'Egidio in vielen deutschen Städten in einer engen Freundschaft mit den jüdischen Gemeinden verbunden und pflegt eine gute Zusammenarbeit." Sie rufe auch zu einer "Mäßigung in der Sprache" auf, denn zu oft würden Vorurteile zu Taten der Gewalt.
Der Weltkirchenrat (ÖRK) verurteilte den Anschlag und forderte einen besseren Schutz von Minderheiten. Er sprach von einem Angriff auf die jüdische Gemeinde "und alle, die sich zu einem friedlichen und freiheitlichen Miteinander bekennen".
"Fahrlässigkeit hat sich bitter gerächt"
Vor der Synagoge von Halle hatte es am Mittwoch einen Anschlag gegeben, bei dem zwei Menschen getötet wurden. Ein Täter habe vergeblich versucht, in das jüdische Gotteshaus einzudringen, in dem sich bis zu 80 Menschen aufgehalten hätten, berichtete der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Max Privorozki. Nach Angaben der Polizei wurde bislang ein Tatverdächtiger festgenommen. Die genauen Hintergründe sind bislang allerdings unklar. Juden in aller Welt begingen am Mittwoch ihren höchsten Feiertag Jom Kippur (Versöhnungstag).
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, sagte, die Brutalität des Angriffs am höchsten jüdischen Feiertag übersteige alles bisher Dagewesene der vergangenen Jahre. "Dass die Synagoge in Halle an einem Feiertag wie Jom Kippur nicht durch die Polizei geschützt war, ist skandalös. Diese Fahrlässigkeit hat sich jetzt bitter gerächt."
Auch die Konferenz der Europäischen Rabbiner zeigte sich entsetzt: "Es ist unfassbar, dass die Gewalt gegen Juden in Deutschland immer mehr zunimmt und ausgerechnet an Jom Kippur, dem jüdischen Versöhnungsfest, auf Menschen geschossen wird. Das ist eine neue Dimension von Hass und Gewalt gegen Juden in Deutschland", so Präsident Pinchas Goldschmidt.
Israels Präsident Reuven Rivlin appellierte an die deutsche Politik, Antisemitismus mit der vollen Härte des Gesetzes zu bekämpfen. Dieser erhebe immer wieder sein Haupt in Europa und weltweit. Er bedrohe aber nicht nur die Juden, "sondern droht uns alle zu zerstören".
"Terror hat keinen Glauben und keine Nationalität"
Die Islamverbände in Deutschland verurteilten den Anschlag "aufs Schärfste". Die abscheuliche Tat zeige, dass "der Terror keinen Glauben und keine Nationalität hat", erklärte der Koordinationsrat der Muslime (KRM) am Donnerstag in Köln. Der türkische Islamverband Ditib, der Mitglied im Koordinationsrat ist, bezeichnete die Tat als einen "Angriff auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt und auf unser gemeinsames, friedliches Zusammenleben".
"Dieser Terrorakt ist gegen uns alle gerichtet, er ist gegen unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt gerichtet", sagte der KRM-Sprecher Zekeriya Altug. Der Koordinationsrat spreche den Opfern, ihren Angehörigen und der Stadt Halle sein Beileid aus und wünsche den Verletzten schnelle Genesung. Zugleich forderte der Koordinationsrat "Solidarität und Schulterschluss" in der Gesellschaft. Nötig sei "eine breite Allianz gegen Hass und Terror". Überdies verlangte er eine lückenlose Aufklärung der Hintergründe der Tat, die über die "Einzelgängerthese" hinausgehe.
Der Ditib-Vorstandsvorsitzende Kazim Türkmen sieht in der Tat vom Mittwoch ein Indiz für "eine zunehmende Spaltung und Polarisierung unserer Gesellschaft und eine Radikalisierung unserer Debatten und Diskurse". Rechtspopulismus und Protektionismus gäben in der Gesellschaft "immer stärker den Ton an". Die Tat wecke zudem "furchtbare Erinnerungen an die Terrorangriffe in Neuseeland und in Sri Lanka", bei denen unzählige Muslime und Christen während Gottesdiensten ermordet worden seien.
Bestürzung in Politik und Gesellschaft
Spitzenvertreter von Staat und Gesellschaft äußerten sich bestürzt über die Tat. Beim Lichtfest in Leipzig zum 30-jährigen Jubiläum des Auftakts der friedlichen Revolution sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier: "Aus einem Tag der Freude ist ein Tag des Leids geworden." Er rief zur Solidarität mit jüdischen Mitbürgern auf. Das Lichtfest, zu dem sich mehrere Tausend Menschen auf dem Augustusplatz versammelt hatten, begann mit einer Schweigeminute für die Opfer von Halle.
"Dass am Versöhnungsfest Jom Kippur auf eine Synagoge geschossen wird, trifft uns ins Herz", schrieb Außenminister Heiko Maas (SPD) auf Twitter. "Wir alle müssen gegen den Antisemitismus in unserem Land vorgehen."
Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer sagte dem Berliner "Tagesspiegel" (Donnerstag), der Angriff sei "ein Alarmzeichen, das niemanden in Deutschland unberührt lassen kann".
Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Donnerstag), der Vorfall zeige, wie wichtig die Sicherheitsmaßnahmen für jüdische Einrichtungen in Deutschland seien. Er betonte, Staat und Gesellschaft müssten "den jüdischen Gemeinden jetzt durch entschlossenes Handeln Solidarität demonstrieren. Es muss klar sein: Das ist ein Anschlag auf uns alle. Und das jüdische Leben gehört zu Deutschland."
"Umgehende Maßnahmen" erwartet"
Der Exekutiv-Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, Christoph Heubner, erklärte: "Dass am höchsten Feiertag des Judentums in Deutschland ein Anschlag gegenüber jüdischen Menschen erfolgen kann, ist für Überlebende ein tiefer Schmerz, der sie an die dunkelsten und mörderischten Zeiten des Antisemitismus in Deutschland erinnert." Das Auschwitz Komitee erwarte "umgehende Maßnahmen eines wehrhaften Staates, der vor allem die Bewaffnung der rechtsextremen Szene in den Blick nehmen muss".
UN-Generalsekretär Antonio Guterres äußerte sich ebenfalls zu der Tat. Er bewerte den Vorfall als "eine weitere tragische Demonstration von Antisemitismus", teilte ein UN-Sprecher am Mittwoch in New York mit. Den Familien der Opfer, der deutschen Regierung und den Menschen in Deutschland sprach Guterres sein "tiefstes Beileid" aus.