Margaret Traub betritt die Synagoge in Bonn und gibt die jüngsten Neuigkeiten bekannt. Die Vorsitzende der Synagogengemeinde der Stadt erklärt den Gläubigen im Vorraum, dass auch hier die Sicherheit erhöht wurde - an Jom Kippur, dem höchsten jüdischen Feiertag, der am Mittwochabend zu Ende ging. Ausgerechnet an dem Versöhnungstag starben zwei Menschen im sachsen-anhaltischen Halle bei Schüssen nahe einer Synagoge.
Verstärkte Polizeipräsenz
Die Tat hunderte Kilometer entfernt beschäftigt auch die am Abend in der Synagoge am Rhein versammelten Juden. Dort wollen sie den Ausgang von Jom Kippur mit einem Gottesdienst und einem gemeinsamen Essen feiern. Traub berichtet mehreren Menschen vor Beginn der Feier, dass die Polizeipräsenz verstärkt worden sei und man die Synagoge nicht als Gruppe, sondern höchstens zu zweit verlassen solle.
"Wir machen uns Sorgen", sagt Traub. "Aber wir machen uns immer Sorgen." Aus Sicherheitsgründen habe sie schon in der Vergangenheit immer wieder Männern dazu geraten, nicht mit einer Kippa, der traditionellen jüdischen Kopfbedeckung, in die Öffentlichkeit zu gehen - weil sie so als Juden erkennbar seien.
"Das, was in Halle geschehen ist, erinnert uns daran, dass etwas passieren kann, nicht ob etwas passieren kann", sagt auch ein Sicherheitsmitarbeiter der Synagoge. Er gibt zu bedenken, dass man mögliche Nachahmungstäter im Hinterkopf haben müsse. "Erfreulich" sei das alles nicht - weder an Jom Kippur noch an anderen Tagen.
Sorge und Angst ständige Begleiter
Ähnlich äußert sich eine Frau, die aus Freiburg nach Bonn gereist ist. "Ich komme mit dem Gefühl, mit dem man als Jude in eine Synagoge geht", sagt Simone Schermann. Und meint damit, dass stets eine gewisse Sorge oder gar Angst dabei ist.
Vertreter des Judentums in Deutschland und Europa reagieren entsetzt auf die Attacke in Halle. "Es ist unfassbar, dass die Gewalt gegen Juden in Deutschland immer mehr zunimmt und ausgerechnet an Jom Kippur, dem jüdischen Versöhnungsfest, auf Menschen geschossen wird.
Das ist eine neue Dimension von Hass und Gewalt gegen Juden in Deutschland", erklärt beispielsweise der Präsident der Konferenz der Europäischen Rabbiner, Pinchas Goldschmidt.
Und der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, erhebt schwere Vorwürfe gegen die Polizei: "Dass die Synagoge in Halle an einem Feiertag wie Jom Kippur nicht durch die Polizei geschützt war, ist skandalös. Diese Fahrlässigkeit hat sich jetzt bitter gerächt." Wie durch ein Wunder sei nicht noch mehr Unheil geschehen.
Vor der Synagoge in Bonn steht am Abend ein Wagen, in dem mehrere Polizisten sitzen. Einer kommt in die Synagoge und spricht mit den Sicherheitsleuten. Derweil bereiten sich die Gläubigen auf den Gottesdienst vor. Die Männer legen den Gebetsschal um und nehmen ihre Plätze ein. Wie in orthodox geprägten Gemeinden üblich, versammeln sich die Frauen getrennt von den Männern oben auf der Empore. Bevor es losgeht, heißt es dort noch mit Blick auf Halle: "Ich bin nicht bereit, mich zu verstecken."