DOMRADIO.DE: Das vom Kabinett beschlossene Klimapaket hat zwei Komponenten - zum einen das Klimaschutzprogramm, welches jüngst von der großen Koalition vorgestellt wurde und zum anderen das Klimaschutzgesetz. Hier gilt in erster Linie das Ziel, den CO2-Gesamtausstoß zu verringern. Das soll gesetzlich besiegelt und immer wieder überprüft werden. Sind Sie zufrieden mit diesem Gesetzentwurf?
Malte Hentschke (Stellvertretender Geschäftsführer des Bündnisses "Klima-Allianz"): Nein, leider nicht ganz. Wir hätten uns ein bisschen mehr Verbindlichkeit gewünscht. In den einzelnen Sektoren gibt es Jahresziele. Wir hätten uns gewünscht, dass auch klar ist, was passiert, wenn diese nicht erreicht werden. Da gab es in dem vorherigen Referentenentwurf noch stärkere Sanktionsmechanismen. Das wurde jetzt leider ein bisschen abgeschwächt. Insofern machen wir uns da weiterhin große Sorgen, dass die Klimaziele 2030 mit dem Klimaschutzgesetz auch wirklich verbindlich erreicht werden können.
DOMRADIO.DE: Genau das hat Umweltministerin Svenja Schulze gesagt: Jetzt bekomme Klimaschutz verbindliche Regeln. Das reicht Ihnen so nicht?
Hentschke: Das reicht uns nicht. Ich glaube, dass wir in den letzten Jahren gesehen haben, dass wir das krachend verfehlen werden. Wir hatten uns vorgenommen, die Emissionen bis 2020 um 40 Prozent zu reduzieren. Wir werden in etwa bei 32 Prozent landen. Vereinbart wurde auch, dass die einzelnen Ministerien untereinander noch die Emissionsmengen tauschen können. Das heißt, wenn ein Ressort besser abschneidet als das andere, können die Emissionen aus dem Ressort übernommen werden. So kann beispielsweise der Verkehrssektor, der Probleme hatte die Emissionen runter zu bekommen, wieder davonkommen.
Insgesamt ist es aber schon ein Schritt in die richtige Richtung. Es kommt jetzt aber auch noch auf das parlamentarische Verfahren an. Es wurde bereits aus Unionskreisen angekündigt, dass manche Teile noch Bauchschmerzen damit haben. Daher müssen wir erst mal sehen, wie das Gesetz - wenn überhaupt - aus dem parlamentarischen Verfahren rauskommt.
DOMRADIO.DE: Das Kabinett hat auch das Klimaschutzprogramm 2030 beschlossen. Darin enthalten ist, was viele Jahre lang gefordert wurde, ein CO2-Preis, der fossile Brenn- und Kraftstoffe wie Heizöl, Benzin und Diesel teurer macht, sowie finanzielle Anreize für umweltfreundliches Verhalten schafft. Hat man es denn damit geschafft?
Hentschke: Ich denke, es ist sehr weit von den Medien und Wissenschaftlern rezipiert worden, dass die CO2-Bepreisung in der jetzigen Form keine Wirkungskraft entfalten wird. Man hat auf der einen Seite einen sehr niedrigen Einstiegspreis gewählt, der zwar bis 2030 dann nochmals steigen wird, aber eben auch nach oben gedeckelt ist. Das ist auch ein Problem.
Und er ist sehr wenig sensitiv für die Sektoren. Das heißt, damit die CO2-Bepreisung im Sektor "Verkehr" beispielsweise eine Wirkung entfalten kann, müsste ein viel höherer Preis vorliegen.
Es stellt sich auch noch die andere Frage, wie sozial gerecht das Ganze ist. Es ist zwar jetzt pauschal die Pendlerpauschale angehoben worden. Es soll auch die Umlage abgesenkt werden. Aber inwieweit das dann wirklich auch Schichten zugutekommt, die sozial schwächer sind, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch fraglich. Insofern sehen wir nicht, dass mit dem niedrigen Einstiegspreis ein signifikanter Beitrag erreicht werden kann.
DOMRADIO.DE: Das heißt für Sie, dass mit dieser Version des Klimaschutzprogramms die internationalen Vorgaben und zugesagten Ziele nicht erreicht werden können?
Hentschke: Genau, das sehen wir nicht. Es wurde auch schon vermutet und damit gerechnet, dass etwa ein Drittel der benötigten Emissionseinsparungen bis 2030 mit diesem Klimapaket erreicht werden können. Man muss sich auch nochmal klarmachen, dass sich die Ziele immer noch nicht auf das Pariser Klimaabkommen beziehen (Auf der Pariser Klimaschutzkonferenz im Dezember 2015 haben sich 195 Länder erstmals auf ein allgemeines, rechtsverbindliches weltweites Klimaschutzübereinkommen geeinigt. Das Übereinkommen umfasst einen globalen Aktionsplan, der die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad begrenzen soll, um einem gefährlichen Klimawandel entgegenzuwirken, Anm. d. Red.).
Mit der Aufweichung der Verbindlichkeit für 2050 sehen wir wirklich große Fragezeichen, wie wir unseren internationalen Verpflichtungen damit gerecht werden wollen. Und wenn wir das Pariser Klimaabkommen ernst nehmen und auch das 1,5 Grad Erwärmung-Limit ins Visier nehmen wollen, haben wir ganz große Zweifel, wie das zum jetzigen Zeitpunkt gelingen soll.
Das Interview führte Carsten Döpp.