DOMRADIO.DE: Sein Name war unter den potenziellen Friedensnobelpreisträgers gehandelt worden. Jetzt ist er mit der höchsten internationalen Friedensauszeichnung geehrt worden: Abiy Ahmed, der Ministerpräsidenten Äthiopiens. Wer ist dieser Abiy Ahmed und warum bekommt er jetzt diesen hohen Preis? Freuen Sie sich über die Entscheidung der Jury?
Hans-Peter Hecking (missio-Referent Ostafrika): Ich bin hocherfreut. Das muss ich ganz ehrlich sagen. Gerade nach der schlimmen Vergangenheit Äthiopiens und Eritreas, insbesondere der Beziehungen der beiden Länder untereinander. Seit dem Amtsantritt von Abiy Ahmed ist da geradezu Wundersames passiert.
DOMRADIO.DE: Für seinen Einsatz für den Frieden mit dem langjährigen Nachbarn und "Erzfeind" Eritrea wird Abiy Ahmed jetzt geehrt. Was genau hat Abiy Ahmed geleistet?
Hecking: Zwischen den beiden Ländern Eritrea und Äthiopien herrschte seit dem Jahre 2000 - vorausgegangenen war ein zweijähriger totaler Grenzkrieg zwischen beiden Ländern - Funkstille. Es gab überhaupt keine diplomatischen Beziehungen. Es war eine der gefährlichsten Grenzen weltweit.
Abiy Ahmed, der neue Mann, der gerade erst im April 2018 sein Amt sehr überraschend angetreten hat, erwirkte bereits drei bis vier Monate später, dass es im Juli 2018 zu einem Friedensschluss zwischen den beiden Ländern gekommen ist. Überraschend ist, dass Ahmed als zu den Oromo zugehörig überhaupt an die Macht kam, denn die Politik in Äthiopien ist von einer ganz anderen Volksgruppe dominiert worden, nämlich den Tigray. Aber auch der Friedensschluss an sich gilt als sehr überraschend für alle.
DOMRADIO.DE: Hält der Frieden seitdem?
Hecking: Der Frieden hält. Ich war damals in Addis Abeba und habe das hautnah mitbekommen, wie die Leute vor Freude auf die Straße gingen. Umgekehrt wurde mir das auch von eritreischer Seite aus bestätigt.
Es wurden also sehr schnell diplomatische Beziehungen aufgenommen. Botschaften wurden wieder eröffnet, die fast 20 Jahre geschlossen waren. Es wurden direkt Flugverbindungen aufgenommen. Es hat sich also alles sehr normalisiert.
Wenn man auch sagen muss, die Verhältnisse in Eritrea selbst, das diktatorisch von Isayas Afewerki seit 1993 regiert wird, haben sich überhaupt nicht geändert.
DOMRADIO.DE: Wie wichtig ist dieser Friedensprozess für die ganze Region?
Hecking: Ungeheuer wichtig. Es bestand eine instabile Lage dadurch, dass der Krieg jederzeit wieder hätte ausbrechen können. Beide Länder hatten im Übrigen hohe Militäretats. Außerdem hat er sich auch sehr intensiv und aktiv in die Friedensverhandlungen im benachbarten Sudan eingebracht, wo es große Unruhen Anfang des Jahres gab, sodass es im August zu einer friedlichen Einigung kam.
DOMRADIO.DE: Hat Abiy Ahmed Rückhalt in der äthiopischen Bevölkerung?
Hecking: Es ist eine schwierige Situation. In Äthiopien leben mehr als 100 Millionen Menschen, die in rund 80 unterschiedliche Völker aufgeteilt sind. Zwischen denen ist die Situation nach wie vor sehr spannungsgeladen. Es geht letztlich um Machtfragen und um einen friedlichen Prozess, der dazu führen soll, dass dieses Land - bestehend aus unterschiedlichen Völkern - zu einer Nation werden kann. Wir wissen aus der eigenen Geschichte, wie schwierig das ist und wie lange so etwas dauern kann.
DOMRADIO.DE: Glauben Sie, dass ihm der Nobelpreis, den er im Dezember in Oslo entgegen nehmen wird, Auftrieb gibt?
Hecking: Das bleibt zu hoffen. Ich denke, dass eine solche Auszeichnung auch eine für Äthiopien und die Menschen dort ist. Es wird auf jeden Fall die Bemühungen um innere Stabilität, Ausgleich und Versöhnung innerhalb des Landes fördern. Davon bin ich überzeugt.
Das Interview führte Hilde Regeniter.