Gespräche auf Augenhöhe – das ist ein vielerorts gebrauchter Begriff, wenn Laien vom demnächst beginnenden Reformprozess der katholischen Kirche in Deutschland, dem "Synodalen Weg", sprechen. Gleichzeitig verbirgt sich hinter diesem immer wieder ins Wort gebrachte Bild eine angemahnte Selbstverständlichkeit, mit der die Menschen an der kirchlichen Basis, in den Gemeinden und Verbänden, bei dem geplanten Dialog auf Bewegung in der momentan als Krise gewerteten Situation der Kirche hoffen. Die Beschäftigung mit der Zukunft ihrer Kirche hatten sich – aus aktuellem Anlass – daher auch die Delegierten des Diözesanrates der Katholiken im Erzbistum Köln bei ihrer Vollversammlung im Bensberger Kardinal-Schulte-Haus verordnet und zum derzeitigen Stand der Beratungen zum Synodalen Weg die Vizepräsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Dr. Claudia Lücking-Michel, eingeladen.
Doch zunächst nutzte am Montagabend der Kölner Erzbischof, Rainer Maria Kardinal Woelki, die Gelegenheit, in dem von der Versammlung erbetenen Grußwort seine Gedanken zu den Ende Oktober festgelegten Themen- und Handlungsfeldern zu äußern und diesbezüglich auch klar Bedenken zu formulieren, zumal er gemeinsam mit dem Regensburger Bischof Rudolf Vorderholzer gegen die nun geltende Satzung des Synodalen Weges gestimmt hatte. Beide Bischöfe hatten Mitte August beim Ständigen Rat einen Alternativvorschlag vorgelegt, der vor allem in der Ausrichtung der Foren sowie der Art und Weise der Beschlussfassung abwich. Doch entgegen den Wünschen beider Bischöfe sieht die Satzung nun nach wie vor folgende Foren vor: "Macht und Gewaltenteilung in der Kirche – Gemeinsame Teilnahme und Teilhabe am Sendungsauftrag", "Priesterliche Existenz heute", "Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche" sowie "Leben in gelingenden Beziehungen – Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft". Eine erste Synodenversammlung mit maximal 230 Mitgliedern wird es dazu Ende Januar im Frankfurter Dom geben.
Keine schön gefärbte Makulatur
Woelki führte aus, wie wichtig ihm die Beteiligung aller Gläubigen am Pastoralen Zukunftsweg im Kölner Erzbistum sei und dass die auf den drei Regionalforen vorgestellte Zielskizze 2030 stärker als bisher Kirche von der Gemeinde her entwerfe. Auch wenn diese Skizze, in die neben den Vorstellungen der Teilnehmer an den Regionalforen auch die Ergebnisse einer Online-Umfrage und vieler Gespräche der Arbeitsfelder und Gremien eingeflossen sind, bislang noch unvollständig die Wünsche der Getauften und Gefirmten spiegele und noch keine endgültigen Antworten liefere, wie der Kardinal ausdrücklich betonte, stellte er zukünftig mehr Transparenz, mehr Teilhabe und mehr Seelsorge in Aussicht. Auch den Abbau von Klerikalismus, neue Gottesdienstformen und allgemein mehr Mitwirkungsmöglichkeiten der Laien sehe dieser Entwurf für die nächsten zehn Jahre vor. Für das gemeinsame Unterwegssein sei er zutiefst dankbar, sagte Woelki angesichts der Vielzahl an Mitarbeitern an diesem Prozess und erklärte, dass dieser noch lange nicht zu Ende sei, sondern sich demnächst auf Dekanatsforen mit den Themen des Synodalen Weges beschäftigen und somit fortsetzen werde. In diesem Zusammenhang erteilte er der immer wieder zu hörenden Besorgnis, es handele sich dabei um "schön gefärbte Makulatur" eine entschiedene Absage. Vielmehr erläuterte Woelki, dass der Weg ein Wesensmerkmal der ganzen Kirche sei und daran erinnere, "dass wir nie als Nationalkirche voranschreiten, sondern als gemeinsames Volk Gottes".
Evangelisierung ist wesentliche Sendung der Kirche
Außerdem forderte er analog zu dem Brief von Papst Franziskus, den dieser Ende Juni "an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland" geschrieben hatte und den Woelki stellenweise wörtlich zitierte, den Primat der Evangelisierung. "Ohne Evangelisierung existiert die Kirche nicht und ohne Evangelisierung wären wir heute nicht hier", sagte er wörtlich. Die Sendung des Herrn führe mitten aus der Gemeinschaft der Kirche in die Welt hinaus. Die Evangelisierung bilde die eigentliche und wesentliche Sendung der Kirche und wecke die Freude, Christ zu sein. "In all unserem Handeln", so der Erzbischof weiter, "muss es um Christus gehen. Er sei das "indispensable Vorzeichen für unseren synodalen Weg". Papst Franziskus ermutige zu diesem Weg und biete ausdrücklich seine Unterstützung dabei an, fügte er hinzu. Neben ihren finanziellen Ressourcen müsse die Kirche in Deutschland vor allem auf ihren geistlichen Schatz bauen. Und so müsse der synodale Weg unter der Führung des Heiligen Geistes stehen. Auch wenn strukturelle Änderungen in den Blick und in Angriff genommen werden müssten, dürfe es keine Fixierung auf eine bloße Strukturdebatte geben. Es bedürfe weit mehr als eines strukturellen funktionalen Wandels und äußerer Reformen, die auf einen "perfekten Apparat" setzten.
Keine parlamentarische Abstimmung über den Glauben
Vielmehr gehe es um einen inneren formenden und prägenden Geist und die Freude am Evangelium; darum, "den Biss des Evangeliums" zu leben. "Nicht Strukturreformen bringen uns voran, sondern solche, die von der unbändigen Kraft des Heiligen Geistes und der Freude am Evangelium zehren." Reife Entscheidungen könne es nur geben, wenn sich möglichst viele Räte und Laien daran beteiligten. Trotzdem könne es keine parlamentarische Abstimmung über den Glauben geben, unterstrich Woelki mit Nachdruck. Auch die Autorität des Lehramtes sei nicht hintergehbar; vielmehr sichere sie der Kirche die Verankerung im katholischen Glauben. Außerdem betonte der Kardinal, dass der Glaube der Teilkirchen immer in der ganzen Kirche verortet bleiben müsse. "Es darf keine unterschiedlichen Wege geben." Das eigene Denken dürfe nicht zum Maßstab werden oder gar über das Wort Gottes gestellt werden, mahnte er. Und im Hinblick auf die Themen, die nur auf weltkirchlicher Ebene diskutiert werden können, gab Woelki die Antwort mit einem Bild: Bei einem Chor gehe es auch nicht darum, dass sich einzelne Stimmen profilierten, sondern darum, die Gesamtheit zu stützen, die Vorgaben des Dirigenten – in diesem Fall die Inhalte des Papstschreibens – nicht einfach ad acta zu legen und schrille Töne zu vermeiden.
Missbrauch hatte systemische Ursachen
Im Vorfeld schon Festschreibungen vorzunehmen und sich selbst Denkbarrieren aufzuerlegen, statt auf ergebnisoffene Beratungen zu setzen – dagegen wandte sich in ihrem Redebeitrag Claudia Lücking-Michel. "Der Weg entsteht im Gehen", formulierte die Vizepräsidentin des ZdK und erinnerte noch einmal schonungslos an die Hintergründe, die zu der Notwendigkeit eines gemeinsam gestalteten Prozesses von Kirchenleitung und Basis geführt hatten: nämlich der massenhafte Missbrauch von Minderjährigen durch Kleriker. Und sie mahnte sehr wohl auch die Wichtigkeit einer Strukturdebatte an, zumal die MHG-Studie darauf verweise, "dass der ungeheuerliche Missbrauch sakralisierter Macht, die schändliche Vertuschung von Taten und der perfide Schutz von Tätern systemische Ursachen haben. Es geht nicht nur um einzelne Kriminelle, sondern um Problemlagen, die unsere Kirche insgesamt betreffen", konstatierte der Gast aus Bonn. Wolle Kirche ihre Glaubwürdigkeit – gerade auch in der Verkündigung – wiedergewinnen, müsse es jetzt eine kritische Auseinandersetzung mit den Bedingungen, die diesen Machtmissbrauch ermöglicht haben, geben und mit den Strukturen, die für eine nachhaltige Erneuerung der Kirche notwendig seien.
Enttäuschung, weil bisher nichts geschehen ist
Man erhoffe sich durchaus Antworten vom Synodalen Weg, sagte Lücking-Michel. Denn nichts wäre schlimmer, als mit diesem Prozess große Hoffnungen zu wecken und am Ende nur Frust auszulösen – so wie der "Dialogprozess" der Deutschen Bischofskonferenz in den Jahren 2011 bis 2015 nach Bekanntwerden des Missbrauchsskandal erst einmal keine Veränderungen gebracht habe und auch die Forderung vieler Verbände 2016 nach einer Synode nicht, was schließlich nach der Veröffentlichung der MHG-Studie 2018 in der Vollversammlung des ZdKs für einen Sturm der Entrüstung gesorgt habe. Enttäuscht, erbost und erschüttert hätten die Delegierten damals aber vor allem nur deshalb sein können, berichtete das ZdK-Vorstandsmitglied, weil sie ihre Kirche aus tiefstem Herzen liebten.
Der Synodale Weg soll zum ersten Advent starten
Letztlich sei die Entscheidung der Bischöfe zum Synodalen Weg auch unter dem großen Druck der Öffentlichkeit gefallen, hielt Lücking-Michel fest und berichtete von der dann bald erfolgten Einladung der Bischofskonferenz an das ZdK, sich an diesem Prozess "auf Augenhöhe" zu beteiligen. Doch zur Bedingung habe das höchste deutsche Laiengremium ein zunächst nicht vorgesehenes viertes Forum zum Themenkomplex "Frauen und Kirche" gemacht, dem die Bischöfe dann bei ihrer Herbstsitzung zugestimmt haben. Nun fehle nur noch das Votum der ZdK-Vollversammlung, die am 22. November tage, und der Synodale Weg könne mit Beginn des neuen Kirchenjahres starten. Trotz ausgehandelter Ziele, Kompetenzen, Zuständigkeiten und Entscheidungsbefugnisse bleibe allerdings offen, "in wieweit Ergebnisse des Synodalen Weges schließlich durch den kirchlichen Gesetzgeber in das Kirchenrecht und durch die Ortsbischöfe in die Kirchenpraxis ihrer Diözesen aufgenommen werden, so dass die Inhalte der Erneuerung verbindlich als neue Grundlage für die Kirche in Deutschland Geltung finden können". Denn die bischöfliche Entscheidung zum Synodalen Weg erfolge innerhalb eines Systems, "das genau nicht vorsieht, dass man sich als Bischof selbst an Entscheidungen bindet, die im ganzen Volk Gottes entwickelt, beraten und beschlossen werden. Nur wenn das aber die ernsthafte Absicht ist, kann hier wirklich Neues entstehen", betonte Lücking-Michel.
Lücking-Michel wertet Papstbrief als "kleine Sensation"
Auch bei den Themen, die nicht auf Ortskirchenebene entschieden werden können, hofft das ZdK, dass sie "verhandelt werden". Sonst brauche man gar nicht erst anzufangen, so die Referentin. "Die ‚Synodalen’ sind nicht getrieben von einem deutschen Allmachtsanspruch, aber von der Hoffnung, dass im Konzert der Weltkirche die deutsche Stimme auch klar und deutlich zu vernehmen ist." Reformvorschläge, die die Universalkirche betreffen, sollten deshalb dem gesamtkirchlichen Gesetzgeber als Vorschläge der deutschen römisch-katholischen Kirche übergeben werden. Es wäre ein starkes Zeichen, wenn die Bischöfe damit nach Rom gingen, so Lücking-Michel. Abschließend wertete auch sie den Papstbrief als Ermutigung zum Synodalen Weg und als "kleine Sensation". Einig war sie sich mit Kardinal Woelki in der Überzeugung, dass die Evangelisierung, die Verkündigung der Frohen Botschaft in Wort und Tat, das Kernstück dieses Erneuerungsprozesses ist. Dennoch müssten auch die Fragen nach Macht, Partizipation und Gewaltenteilung deshalb offen diskutiert und klug entschieden werden, "damit Leben und Reden, Glauben und Verkündigung, Anspruch und Wirklichkeit der Kirche nicht weiterhin auseinanderfallen". Abschließend sagte die ZdK-Vizepräsidentin: "Ich bin jedenfalls zutiefst davon überzeugt, dass wir gemeinsam als Kirche in dieser Welt gebraucht werden, um das Evangelium zu verkünden und Zeugnis von der Hoffnung auf Versöhnung zu geben. Selten war Kirche so notwendig wie heute."