Die katholische Kirche in England und Wales hat schwere Versäumnisse in Sachen Missbrauchsaufklärung eingeräumt. Man habe zu langsam "auf die Präsenz des Bösen in den Reihen ihrer Mitglieder" reagiert, erklärte der Vorsitzende der Bischofskonferenz von England und Wales, Kardinal Vincent Nichols, am Mittwoch in einer Anhörung vor der staatlichen Untersuchungskommission zu Kindesmissbrauch (IICSA).
Nichols traf Missbrauchsopfer persönlich
Zwei Jahrzehnte mit vielen Missbrauchsskandalen hätten die Kirche "bis ins Mark erschüttert", so der Erzbischof von Westminster. Auf den Vorwurf, Anschuldigungen gegen einen Priester ignoriert und nicht auf entsprechende Hinweise reagiert zu haben, sagte Nichols: "Wir sind voller Widersprüche - ja, ich habe versagt." Es tue ihm leid, dass er dem Opfer damals nicht direkt geantwortet habe, so der Kardinal. Er habe die Frau mittlerweile persönlich getroffen.
Auch wenn es im Kampf gegen Missbrauch noch viel zu tun gebe, habe in den vergangenen Jahren "ein radikaler Bewusstseinswandel" in der Kirche eingesetzt, so Nichols weiter. So arbeite das Bistum Leeds derzeit an einem Verhaltensleitfaden für Geistliche im Zusammenhang mit Missbrauchsvorwürfen. Nichols wird demnach an diesem Donnerstag nochmals vor der Kommission aussagen.
Bericht der staatlichen Untersuchungskomission
Bereits im vergangenen Jahr hatte die unabhängige staatliche Untersuchungskommission zu Kindesmissbrauch (IICSA) damit begonnen, Nichols zu seiner Zeit als Erzbischof von Birmingham zwischen 2000 und 2009 zu befragen. Ihm wird vorgeworfen, in dieser Zeit nicht gegen mutmaßliche Missbrauchstäter in seiner Erzdiözese vorgegangen zu sein. In die Vorwürfe involviert ist laut Medienberichten auch der inzwischen verstorbene Geistliche John Tolkien, Sohn des weltberühmten Bestseller-Autors J.R.R. Tolkien ("Der Herr der Ringe").
Er habe sich "zu sehr auf den Ruf der Kirche statt auf das Wohl der Kinder konzentriert", zitierten britische Medien aus dem 65 Seiten umfassenden Bericht. "Kinder hätten vor Missbrauch geschützt werden können, wenn die Kirche ihren eigenen Ruf nicht um jeden Preis hätte retten wollen", heißt es weiter. Nichols hatte bei der ersten Befragung durch die Kommission eingeräumt, belastendes Material gegen einen Priester nicht offengelegt zu haben, um eine gütliche Einigung im Rechtsstreit mit dem Opfer nicht zu gefährden.
Bei der Befragung durch die Kommission hatte Nichols eingeräumt, belastendes Material gegen einen Priester nicht offengelegt zu haben, um eine gütliche Einigung im Rechtsstreit mit dem Opfer nicht zu gefährden. Er entschuldigte sich für sein Verhalten, wies aber Vertuschungsvorwürfe zurück.