Einen guten Arzt zu finden, dürfte ebenso schwierig sein wie einen guten Seelsorger. Umso spannender, wenn zwei bekannte Vertreter dieser Berufsgruppen zu einem Dialog zwischen Glaube und Medizin zusammenkommen. Am Freitagabend trafen in München Bayern-Doc Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt (77) und der Benedikiner-Abt von Sankt Bonifaz und Andechs, Johannes Eckert (50), aufeinander. Eingeladen hatte das Bildungswerk der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung und das katholische Medienhaus Sankt Michaelsbund aus Anlass des "Monats der Spiritualität".
Aufgewachsen als Sohn eines Pastors in Ostfriesland
Der "Mull", wie Müller-Wohlfahrt seit Jugendtagen genannt wird, wuchs als Sohn eines Pastors in einem 300-Seelen-Dorf in Ostfriesland auf. Eine "strenge Erziehung" im Glauben prägte ihn, wie er erzählt. Die regelmäßige Teilnahme an den Gottesdiensten gehörte dazu. Um diese musikalisch zu begleiten, erlernte Müller-Wohlfahrt auch das Orgelspiel. Ein guter Schüler sei er im Gymnasium nicht gewesen, räumt er ein. Musik und Sport hätten ihn am meisten interessiert; Erfolge feierte er denn auch als Leichtathlet.
Sein Vater hätte ihn gern als Pastor gesehen, doch Medizin musste es sein. Beinahe wäre er am Numerus Clausus gescheitert. Doch Müller-Wohlfahrt traf auf einen Professor, der an dieses Auswahlsystem nicht glaubte und lieber drei Tage mögliche Kandidaten prüfte. Dass er fürs Studium in Kiel, später in Innsbruck und Berlin, genommen worden sei, und in seiner Laufbahn als Facharzt für Orthopädie bald Vereinsarzt von Herta BSC und ab 1977 vom FC Bayern München wurde, auch von der Deutschen Fußballnationalmannschaft - das sieht der Mediziner als Fügung. Alles sei vorherbestimmt, ist er überzeugt. Wobei sein Blick immer nach vorne gehe.
Schulssport war ein "Schrecken"
Zurückhaltender gibt sich Eckert, groß geworden in einer gut katholischen Familie in Mosbach/Baden-Württemberg. Für ihn sei der Schulsport eher ein "Schrecken" gewesen. Dafür glänzte er mit einer guten Abiturnote. Dass er bei einer solchen Ausgangslage damals Theologie habe studieren wollten, hätten manche Freunde nicht verstanden, erinnert sich Eckert. Das wiederum kann Müller-Wohlfahrt nicht verstehen: Er habe vor diesem Fach viel Respekt gehabt, allein wegen Griechisch, Hebräisch und Latein.
Eckert ging seinen Weg. Dankbar sei er besonders seinen Münchner Theologie-Professoren wie Johannes Gründel oder Wilhelm Korff, die den Studenten einen "geistige und geistliche Beweglichkeit" beigebracht und sie in den "weiten Raum der Gottsucher" geführt hätten. Bei den Benediktinern und ihrem damaligen Abt Odilo Lechner hätten ihn dann Tradition und Offenheit angezogen.
"Ich verlasse mich lieber auf meine Hände."
Heute sind der Arzt und der Abt gefragte Persönlichkeiten, zu denen die Menschen mit großen Erwartungen kommen. Müller-Wohlfahrt behandelt in seiner Münchner Praxis nicht nur prominente Sportler und Künstler. Die Auswahl überlässt er bei Anfragen seinen "Mädchen", wie er sagt. Diese hätten über die Jahre ein gutes Gespür entwickelt. Jede Untersuchung sei eine neue Herausforderung für ihn. Routine gebe es nicht, Vertrauen müsse er sich jedes Mal neu erarbeiten. Dafür hört er dem Patienten lange und gut zu. Von einer reinen MRT-Gläubigkeit hält er nichts: "Ich verlasse mich lieber auf meine Hände."
Wenn der Doc dann mit seinen "heilenden Händen" ans Werk geht, muss absolute Stille herrschen. Was er in den Muskeln und an der Wirbelsäule erfühlt, daran orientiert er sich für die Diagnose. Wenn vom Patienten die Erlaubnis für die Behandlung kommt, verharrt Müller-Wohlfahrt nach eigenen Worten jedes Mal mit seinen Hände im Schultergürtelbereich und hält inne. Manche mögen dies als Konzentrationsphase deuten. Tatsächlich aber spreche er dann ein kurzes Gebet, dass die Behandlung gelingen möge, verrät er erstmals.
Wie anstrengend Gespräche sein können, weiß auch Abt Johannes. Eine Stunde nimmt er sich meist Zeit, wenn jemand seine seelsorgliche Hilfe in Anspruch nehmen will. Wie der Arzt setzt er auf Gottvertrauen, aber gepaart mit dem Bewusstsein, nicht alles zu können. Die Gefahr der Eitelkeit sei gegeben, sagt er. Deshalb sei er froh, sich regelmäßig mit seinem geistlichen Begleiter austauschen zu können. Und dankbar sei er auch für einen guten Hausarzt.