Die Erinnerung an Angelausflüge mit seinem Vater sind so lebendig, als wäre er eben erst mit der "La Mica" genannten Karte für Grenzgänger nach Texas gekommen. Als alle den einzigen Jungen unter den fünf Kindern der Familie Gomez noch Pepe nannten, war das der einfache Weg, von Mexiko in die USA zu kommen. Ein Pendeln zwischen den Welten, das für Familien wie seine Alltag war.
Seit Dienstag ist Jose Horacio Gomez (67) der erste Latino an der Spitze der US-Bischofskonferenz.
Seine Großeltern heirateten 1917 in derselben Kathedrale von San Antonio, in der er 2005 sein Amt als Erzbischof antrat. Ein Teil der Familie lebte schon immer in den USA, während er selbst 1951 als Sohn eines Arztes und einer Hausfrau in Monterey in Mexiko zur Welt kam.
"Er hat studiert und studiert und studiert", erinnert sich seine Schwester Maricarmen an ihren eifrigen Bruder, der sich schon immer mehr für Religion und Philosophie als für Frauen interessiert habe.
Vom Wiener Kardinal König zum Priester geweiht
Während seiner College-Jahre trat Gomez dem Opus Dei bei. Nach seinem Abschluss an der National University of Mexico 1975 zog er nach Spanien, wo er an der Opus-Dei-Universität von Navarra einen Doktor in Moraltheologie erwarb. 1978 weihte ihn der damalige Wiener Kardinal Franz König zum Priester.
Nach Jahren als Jugendseelsorger und Lehrer in Spanien und Mexiko ging er 1987 in die USA. Dort machte er sich unter anderem als Latino-Führer im "National Catholic Council of Hispanic Ministry" einen Namen und fiel Papst Johannes Paul II. auf. Dieser berief ihn 2001 zum Weihbischof von Denver.
Die Bischofsweihe erteilte Erzbischof Charles J. Chaput, der als einer der konservativsten Männer der US-Kirche gilt. Doch der neue Hirte wollte nicht so recht in die gängigen Schemata passen. Als er 2005 Erzbischof in San Antonio wurde, befürchteten nicht wenige, man bekomme mit dem "Opus-Dei"-Mann einen erzkonservativen Führer.
Doch schnell stellte sich heraus, dass die Diözese einen bescheidenen Hirten an ihrer Spitze hatte, der gut zuhören konnte und sich für das geborene wie ungeborene Leben stark machte. "Er vermittelte alles andere als den Eindruck eines Rechthabers", erinnert sich San Antonios Ex-Bürgermeister Phil Hardberger.
An der Spitze des größten US-Bistums Los Angeles
Seine Erfolge als pragmatischer Manager und umsichtiger Kirchenführer empfahlen Gomez 2011 als Nachfolger für Kardinal Roger Mahony an der Spitze des größten US-Bistums Los Angeles. Er war auch in diesem Amt der erste Latino und stand für den Wandel der US-Kirche, in der heute etwa vier von zehn Gläubigen einen hispanischen Hintergrund haben.
Sein rasanter Aufstieg zum Stellvertreter des bisherigen Vorsitzenden, Kardinal Daniel DiNardo, machte den wachsenden Einfluss der Latinos nun auch in der Hierarchie sichtbar. Mutig sprach sich Gomez nach dem Fackelmarsch von Charlottesville gegen weißen Nationalismus aus und solidarisierte sich nach dem Terroranschlag von El Paso mit den Opfern.
Seine Wahl an die Spitze der Bischofskonferenz "ist ein echter Meilenstein", sagt John Carr von der Georgetown University. "Nicht wegen seiner Herkunft, sondern für das, was er ist". In einer Zeit, in der die Nachbarstaaten, ihre Gesellschaften und auch die Kirche unter Spaltungen leiden, biete sich Gomez als Brückenbauer an. Er sei weder Kulturkrieger noch Leisetreter, kein Mann der faulen Kompromisse, aber auch kein kompromissloser Hardliner.
Nicht entgangen ist Beobachtern wie dem Religions-Kolumnisten Tom Reese, dass Gomez ausgerechnet an dem Tag gewählt wurde, an dem das oberste US-Gericht seine Anhörungen über das Schicksal der rund 700.000 "Dreamer" genannten Kinder illegaler Einwanderer begann: "Ein mexikanischer Einwanderer übernimmt zu einer Zeit die Führung, in der Einwanderer dämonisiert werden."
Gomez versteht die Symbolik. "Wir beten für ein gutes Ergebnis des Verfassungsgerichts", sagte er nach seiner Wahl. Um keinen Zweifel daran zu lassen, was er damit meint, fügte der frisch gewählte Vorsitzende hinzu: "Dass die Dreamer in den Vereinigten Staaten bleiben können." Wie er, der selbst erst 1995 die US-Staatsbürgerschaft erlangte.