Friedensprozess im Südsudan gefährdet

"Es geht ums nackte Überleben"

Der Südsudan ist nicht nur das jüngste Land der Welt, sondern auch das ärmste. Jahrelang kämpften die Menschen dort gegeneinander. Seit einem Jahr gibt es ein Friedensabkommen. Doch das läuft bald aus. Ein Grund zur Sorge?

Bewaffneter Mann im Südsudan / © Katharina Ebel (KNA)
Bewaffneter Mann im Südsudan / © Katharina Ebel ( KNA )

DOMRADIO.DE: Am Dienstag hätte der Südsudan eine neue Einheitsregierung haben sollen. So hatten das die Konfliktparteien dort vor einem Jahr in einem Friedensabkommen vereinbart. Aber: Die verschiedenen Gruppen werden sich offenbar nicht einig und deswegen haben sie die Frist um 100 Tage verschoben. Wie gefährdet ist dadurch der Frieden im Südsudan?

Sebastian Haury (Caritas International, Referent für den Südsudan): Zunächst einmal ist es ein Riesenerfolg, wenn diese einhundert-Tage-Frist jetzt wirklich beschlossen und eingehalten wird. Natürlich ist der Frieden weiterhin sehr gefährdet. Es gibt eine Vielzahl von Ethnien, eine davon ist dominant. Und da geht es jetzt darum, den Balanceakt hinzukriegen, sodass sich jeder mitgenommen fühlt im jüngsten Land der Welt.

DOMRADIO.DE: Können Sie kurz zusammenfassen, was das für Bedingungen sind, an die die Verlängerung der Frist geknüpft ist?  

Haury: Es sind drei Bedingungen. Zum einen geht es um die Aufteilung der Bundesstaaten. Früher gab es zehn Bundesstaaten. Zurzeit sind es 33 Bundesstaaten, und die wurden von der Partei, die den Bürgerkrieg gewonnen hat, einfach so eingeteilt, dass in jedem Bundesstaat die Machtverhältnisse entsprechend aufgeteilt sind. Dass diese Partei die Führung hat, ist natürlich für die entsprechenden Oppositionsparteien nicht hinzunehmen. Das ist sehr tricky, hier eine neue Aufteilung von Bundesstaaten hinzubekommen, womit wirklich die ganze Bevölkerung einverstanden sein kann.

Im zweiten Teil geht es darum, dass eine Einheits-Armee geschaffen werden soll. Die Oppositionssoldaten und die Regierungssoldaten sollen in einer Armee zusammengefasst werden und besoldet werden, was noch ein Problem darstellt.

Und die dritte Sache ist, dass der Oppositionsführer als Vizepräsident in der Übergangsregierung agieren soll.

DOMRADIO.DE: Wie sind die Aussichten auf einen dauerhaften Frieden? 

Haury: Das ist ein komplexer, schwieriger Prozess. Auf der einen Seite hat man eine Bevölkerung, die sehr kriegsmüde ist, die sich eigentlich danach sehnt, wieder in Ruhe ihr Leben aufzubauen. Auf der anderen Seite hat man eine Regierungspartei, die jetzt militärisch im Vorteil ist und eventuell diese Situation ausnutzen könnte, um auch militärisch wieder die Sache für sich zu entscheiden.  

DOMRADIO.DE: Was ansonsten passieren könnte, mag sich eigentlich keiner so richtig vorstellen. Aber was passiert denn, wenn es dort erneut zum Krieg kommt?

Haury: Was passiert, ist, dass ein unendliches Unheil, wie es schon mal erlebt wurde – zerstörerische Verhältnisse mit Vertreibung, mit sexueller Gewalt, mit vielen Toten – wieder auf das Land einbrechen würde.

DOMRADIO.DE: Wer hat denn ein Interesse daran, dass die Frist nicht verlängert wird und es erneut zum Krieg kommt?

Haury: Man muss wissen, dass die Oppositionspartei immer sehr stark vom Sudan durch Baschir (Umar al-Baschir, ehemaliger Präsident des Sudan, Anm.d.Red.) unterstützt wurde, der mittlerweile gestürzt ist. Deswegen gibt es jetzt ein Ungleichgewicht. Die aktuelle Regierungspartei hat also militärisch einen starken Vorteil. Und es könnte sein, dass sie diesen Vorteil nutzen möchte, um diese Sache ein für alle Mal für sich zu entscheiden.

DOMRADIO.DE: Und wie engagiert sich Caritas International im Südsudan? Wie versuchen Sie zu helfen?

Haury: Für uns von Caritas International ist der Südsudan ein Schwerpunktland. Wir haben 14 Projekte mit knapp fünf Millionen Euro, die wir investieren. Wir erreichen ungefähr 200.000 Menschen und engagieren uns in der Nothilfe. Die Leute haben wirklich nichts zu essen. Und in vielen Projekten schreiben uns die Partner im Projekt-Abschlussbericht: "Der größte Erfolg ist, dass niemand an Hunger gestorben ist." So prekär ist die Lage.

Menschen im Südsudan suchen Schutz in einer Kirche / © Gregor Fischer (dpa)
Menschen im Südsudan suchen Schutz in einer Kirche / © Gregor Fischer ( dpa )

Die UN spricht von der Hälfte der Bevölkerung, die unter schwerer Ernährungsunsicherheit leidet. Es geht wirklich teilweise ums nackte Überleben. Und was wir natürlich auch versuchen, ist, dass wir nicht nur Lebensmittel verteilen, sondern auch ganz langsam Strukturen aufbauen, Saatgut verteilen, landwirtschaftliche Trainings geben und in die Richtung Hilfe Selbsthilfe zu gehen.  

DOMRADIO.DE: Was wünschen Sie sich denn von den Politikern in Europa? Wir leben in einer globalen Welt. Was können Politiker auch bei uns tun, um den Friedensprozess im Südsudan zu unterstützen?

Haury: Ich denke mal, das Wichtigste im Moment ist, dass die humanitäre Hilfe weiter verstärkt wird, dass die Leute einfach satt werden, sich wieder ein bescheidenes Leben aufbauen können, dass sie wieder den Glauben an die Menschheit zurückgewinnen können. Es gibt ja Generationen, die eigentlich nur Krieg kennen. Die humanitäre Hilfe aufrechtzuerhalten und zu verstärken, ist, denke ich, der wichtigste Punkt, den wir in Europa machen können. Aber dann ist es natürlich auch wichtig, auf die internationalen Mächte Einfluss zu nehmen, um diesen Friedensprozess wirklich zu stützen. Und es ist auch wichtig, von den lokalen Machthabern zu fordern, dass sie eine friedliche Lösung suchen.

Das Interview führte Aliena Pfeiffer.

Südsudan

Papst-Reise in den Südsudan: Menschen warten auf die Ankunft von Papst Franziskus / © Gregorio Borgia/AP (dpa)
Papst-Reise in den Südsudan: Menschen warten auf die Ankunft von Papst Franziskus / © Gregorio Borgia/AP ( dpa )

Das afrikanische Land Südsudan erlangte am 9. Juli 2011 seine Unabhängigkeit vom Sudan und wird deswegen auch als "jüngster Staat der Erde" bezeichnet. Hauptstadt ist Juba. Auf einer Fläche von der ungefähren Größe Frankreichs leben rund zwölf Millionen Menschen. Das Durchschnittsalter der Bevölkerung liegt bei gerade einmal 17 Jahren.

Die Einwohner gehören einer Vielzahl unterschiedlicher Ethnien an; die größte Gruppe stellen mit 35 Prozent die Dinka. Anders als im muslimisch geprägten Sudan überwiegen im Südsudan die Christen.

Quelle:
DR