Hat er sich antisemitisch und rechtsextrem geäußert? Auffällig häufig provozierte der AfD-Bundestagsabgeordnete Stephan Brandner mit Äußerungen, die im Zusammenhang mit dem Judentum standen.
Der "Judaslohn"-Hashtag des 53-jährigen Juristen zu Udo Lindenberg war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Am Mittwoch wählte der Rechtsausschuss des Bundestags seinen Vorsitzenden mit den Stimmen aller anderen Parteien ab. Ein bislang einmaliger Vorgang.
"Klares Signal gegen Hass und Hetze"
"Die Abberufung von Brandner ist ein klares Signal gegen Hetze und Hass", erklärte der rechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jan-Marco Luczak. Der FDP-Politiker Marco Buschmann sprach von Entgleisungen. Brandner sei schlicht ungeeignet, den wichtigen Rechtsausschuss zu leiten.
"Die zivilisatorische Kraft des Rechts besteht darin, dass wir uns mäßigen, dass wir uns auf Sachlichkeit verpflichten und dass wir versuchen, auch die emotionale Hitze aus Situationen herauszunehmen", sagte er. Brandner habe genau das Gegenteil praktiziert.
Brandner, der dem Höcke-Lager nahe steht, ist schon in Thüringen wegen wüster Beschimpfungen aufgefallen. Er selbst charakterisierte sich als "Pöbler aus dem Landtag". Nach dem Anschlag auf ein jüdisches Gotteshaus in Halle, bei dem der Attentäter zwei zufällig angetroffene Passanten tötete, verbreitete Brandner einen Tweet, in dem es hieß, Politiker würden bei Gedenkveranstaltungen in Moscheen und Synagogen "rumlungern", dabei seien die Opfer doch Deutsche gewesen.
Einen Tag später stellte Brandner ein Foto des jüdischen Publizisten Michel Friedman ins Netz und bezeichnete ihn als "deutschen Michel", der der AfD immer neue Wähler in die Arme treibe.
Zuletzt löste der Begriff "Judaslohn" eine neue Debatte über Antisemitismus in der AfD aus. Nach der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an Panikrocker Lindenberg schrieb Brandner auf Twitter: "Klar, warum der gegen uns sabbert/ sabbern muß: Der Musiker, der vor wenigen Tagen das Bundesverdienstkreuz von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erhalten hat...#Judaslohn."
Die Bedeutungen von "Judaslohn"
Fest steht: Das Wort "Judaslohn" diente in der Vergangenheit antisemitischen Hetzern, ist aber auch ein feststehender Topos in Literatur, Kunst und Musik. Der Begriff rührt daher, dass der Apostel Judas Ischariot Jesus verraten und dafür von den Hohepriestern Geld erhalten haben soll. Laut Evangelist Matthäus erhängte sich Judas später wegen seiner Gewissensbisse. Die Apostelgeschichte berichtet demgegenüber, dass Judas stürzte, so dass sein Körper zerriss und die Eingeweide hervorquollen. Ein Gottesurteil sozusagen.
Diese Erzählungen haben sich tief in Sprache und Kultur eingeprägt.
Das Bild des habgierigen Verräters spiegelt sich auch in Redewendungen wie "Judaskuss" oder der Beschimpfung "Das ist ein Judas" wider. Eine vollends antisemitische Aufladung erhielt der "Judaslohn" in der Dreyfus-Affäre in Frankreich, als der jüdische Artillerie-Hauptmann Alfred Dreyfus 1894 fälschlicherweise des Hochverrats zugunsten Deutschlands beschuldigt wurde. Der Fall löste eine Welle des Antisemitismus aus.
Brandner lehnte einen Rücktritt ab und sprach von einer Kampagne, die ihn und seine Partei diskreditieren solle. "Bei dem Begriff Judaslohn handelt es sich um einen zugespitzten Begriff in der rhetorischen Auseinandersetzung, der in der Vergangenheit immer wieder auch von anderen Bundestagsabgeordneten nahezu aller Fraktionen unbeanstandet innerhalb und außerhalb des Parlamentes genutzt worden ist", unterstrich der Jurist.
Richtig ist: Auch in Literatur, Film und Musik ist der Begriff in der Vergangenheit verwendet worden - ohne große Proteste. So veröffentlichte der Schriftsteller Andree Hesse 2005 den Krimi "Der Judaslohn". 2009 sendete das ZDF die Folge "Judaslohn" in der Krimireihe SOKO Stuttgart. Und 1994 brachte Marius Müller-Westernhagen den Song "Judaslohn" heraus.
Allein die Verwendung des Begriffs hätte wohl nicht ausgereicht, um Brandner vom Ausschussvorsitz abzuwählen. Im Zusammenhang aber wird deutlich, dass der AfD-Politiker eine bewusste Strategie der Verunglimpfung und der Provokation verfolgte.