Einer macht immer dann Anfang. Dann sind es zwei, dann drei, dann vier… bis schließlich der ganze Saal in Bewegung gerät und zu den südamerikanischen Rhythmen der Musikgruppe "SinFronteras" fröhlich wippt und dabei begeistert in die Hände klatscht. Die unerwartet tanzende Gästeschar gibt ein munteres Bild ab, das nichts Geplantes hat und dennoch von großer symbolischer Aussagekraft ist für das, was an diesem Mittag im Kölner Rautenstrauch-Joest-Museum gefeiert wird. Denn die 300 geladenen Gäste zeigen eindrucksvoll, wie ansteckend eine spontane Idee sein kann, wie schnell eine gute Initiative Unterstützer findet und wie Gemeinschaft funktioniert, wenn alle an einem Strang ziehen.
Mit einem Festakt hat die Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilfe (AGEH), die von nun an unter dem neuen Namen AGIAMONDO firmieren wird, ihres 60-jährigen Bestehens gedacht und diesen runden Geburtstag mit vielen Partnern und Weggefährten aus Politik und Gesellschaft, aber vor allem auch weltweit entsendeten Fachkräften, sogenannten "Rückkehrern" und Mitarbeitern des AGEH-Programms "Ziviler Friedensdienst" begangen. Zunächst erinnerte der Vorstandsvorsitzende, Dr. Markus Demele, an das Gründungsjahr der AGEH 1959, in dem die Notwendigkeit eines solchen Fachdienstes zur Professionalisierung und Institutionalisierung der personellen Entwicklungszusammenarbeit erkannt worden sei, zumal sich die Menschen schon damals, wie er betonte, mit der "schreienden Ungerechtigkeit globaler Ungleichheit" nicht hätten abfinden wollen. Es seien Menschen gewesen, "die das Evangelium Jesu Christi nicht nur gelesen haben auf ihr Dorf, auf ihren Stadtteil oder auf ihr Land hin, sondern eben auch über Kontinente hinweg".
Botschafter eines partnerschaftlichen Miteinanders
Daraufhin hätten sich Frauen und Männer in den Dienst nehmen lassen: ganz konkret, mit ihrer ganzen Existenz – und eben nicht nur mit Spenden. "Sie haben alle ihre Talente, auch Hoffnungen und Wünsche mitgenommen in die Begegnungen in Afrika, Asien, Lateinamerika und auch Europa." Und sie seien so zu Botschafterinnen und Botschaftern der Idee eines partnerschaftlichen Miteinanders geworden, das beim Kampf gegen die Armut den Austausch von Wissen und Erfahrungen in den Mittelpunkt stellt. "Es haben sich Menschen auf den Weg gemacht, die zu Lernerfahrungen bereit sind und diese ganz häufig auf fruchtbare Weise auch in die bundesdeutsche Gesellschaft zurückgespiegelt haben." Trotz ausreichender Ressourcen, die allen Menschen weltweit ein Leben in Würde ermöglichen könnten, sei die globale Verteilung weiterhin ungerecht, mahnte Demele an, so dass die Diskrepanz zwischen Wohlstand und Armut in vielen Regionen weltweit eher noch wachse.
Im Namen der Stadt überbrachte Bürgermeisterin Elfi Scho-Antwerpes Glückwünsche und würdigte die "exzellente Arbeit" durch "hochqualifizierte Kräfte". Das sei "etwas Großartiges, nämlich christliche Nächstenliebe" – für dieses Engagement schätze sie die AGEH. "Ich wünsche Ihnen, dass Sie auch weiterhin immer wieder tatkräftige Menschen gewinnen, die bereit sind, auf die andere Seite der Erde zu gehen." Denn es sei gut, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen.
Gleichberechtigter Austausch auf Augenhöhe
Die Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dr. Maria Flachsbarth, würdigte die AGEH rückblickend als einen "wichtigen Partner", der in den vergangenen Jahrzehnten rund 7.000 der bisher etwa 30.000 Entwicklungshelfer entsendet habe und dem BMZ weiterhin "hochwillkommen" sei. Die hochqualifizierten Fachräfte setzten sich oft unter schwierigen Bedingungen und Inkaufnahme persönlicher Risiken für nachhaltige Entwicklung ein, so die CDU-Politikerin. Sie mobilisierten als Influencer, wirkten als Rückkehrer nach innen und schärften das Bewusstsein für globale Zusammenhänge. "Sie zeigen, was Menschen für Menschen bewirken können."
Der katholische Personaldienstleister vermittelt laut Flachsbarth an christlichen Werten orientierte Fachkräfte, die "in ihrer Sorge um das gemeinsame Haus", wie es Papst Franziskus in seiner Enzyklika "Laudato Si" ausdrückt, zudem gerade an krisengeschüttelten Orten auf kirchliche Strukturen zurückgreifen könnten. Sie betonte eigens den besonderen AGEH-Ansatz eines gleichberechtigten Austauschs auf Augenhöhe mit den Partnern vor Ort. "Wir müssen gemeinsam überlegen und handeln, denn nur gemeinsam können die Probleme der Welt gelöst werden." Allerdings habe sich der Bedarf inzwischen verändert: Wären vor 60 Jahren mehrheitlich Mediziner, Handwerker, Techniker und Pädagogen vermittelt worden, seien heute in weiten Teilen der Welt vor allem Experten für Klimaschutz, Trauma-Pädagogik, Digitalisierung oder Konfliktbearbeitung gefragt.
Mit neuem Namen auf aktuelles Bewusstsein reagiert
Auf die Notwendigkeit, sich neuen Entwicklungen auch im äußeren Erscheinungsbild anzupassen, verwies Geschäftsführerin Dr. Claudia Lücking-Michel. Daher der neue Name AGIAMONDO, der von nun an mehr noch das Selbstverständnis eines gemeinsamen Handelns in der Welt zum Ausdruck bringen soll. Die Begegnung mit vielen anderen Menschen verändere auch die eigene Identität, stellte Lücking-Michel fest, so dass sich im Laufe von Jahrzehnten auch für die AGEH ein neues Bewusstsein ergeben habe, nämlich den globalen Süden als gleichwertigen Partner und die Haltung einer "nachholenden Entwicklung", bei der immer auch eine Überlegenheit der Industrieländer im globalen Norden gegenüber dem Süden zum Ausdruck gekommen sei, als Auslaufmodell zu betrachten. Heute gehe es zunehmend um die Entkolonialisierung von personeller Zusammenarbeit, auf Reziprozität angelegte weltweite Prozesse und die Bewältigung der Herausforderung einer sozialökologischen Transformation, wie Michael Detscher, bei AGIAMONDO zuständig für die Personalvermittlung, ergänzte.
Nur wer integral denkt, sorgt für humane Entwicklung
Der Tag hatte mit einem Dankgottesdienst begonnen, den der Bamberger Erzbischof Dr. Ludwig Schick, bei der Deutschen Bischofskonferenz verantwortlich für Weltkirche und Mission, in der Kölner Innenstadtkirche St. Peter zelebrierte. "Die AGEH sucht, sendet und betreut gut ausgebildete Arbeitskräfte, die im Geist des Evangeliums und für die Ausbreitung des Reiches Gottes in die weite Welt hinausziehen", erklärte er in seiner Predigt. Dabei seien die Ideale des Reiches Gottes Gerechtigkeit, Friede und Freude im Heiligen Geist, was sich heute mit Solidarität, Gemeinsinn und Gemeinwohl übersetzen lasse. "Mit ihren fachlichen Ausbildungen und spezifischen Kenntnissen werden sie in den verschiedensten Bereichen der Entwicklung tätig", sagte Schick und fügte hinzu: "Sie leisten Hilfe zur Selbsthilfe, partnerschaftlich und nicht paternalistisch. Sie wollen dazu beitragen, dass die einzelnen Menschen, ihre Länder und Völker sich selbst entwickeln können.”
Dazu bedürfe es einer integralen Entwicklung, die bedeute, wissenschaftliche und technische sowie auch materielle Entwicklungen mit dem Wertefortschritt zu verbinden. "Materieller Fortschritt ohne geistig-geistlichen Zuwachs kann gefährlich werden. Wenn der Mensch alles macht, was er kann, ohne sich an Ethik und Moral zu binden, kann er zum selbstzerstörerischen und zerstörerischen Homo faber werden”, warnte der Bischof. Mit diesem integralen Verständnis leiste die AGEH seit 60 Jahren wichtige Dienste in Landwirtschaft, im Gesundheitswesen, in Bildung und Erziehung sowie im Bauwesen, auf dem Mediensektor und beim Aufbau von demografischen und rechtsstaatlichen Verhältnissen. Nur wenn intergral gedacht werde, könne von einer wirklich humanen Entwicklung gesprochen werden. “Das Werk der Entwicklung für das Reich Gottes hat kein Verfallssdatum”, sagte der Gast aus Bamberg wörtlich. “Wir müssen dranbleiben: bei Fortschritten und Rückschritten, bei Erfolg und Misserfolg, in guten und auch in schlechten Zeiten."
Erster Engagement-Preis geht an Maria Oberhofer
Als sichtbares Zeichen eines solchen Dranbleibens stand am Ende dieses festlich gestalteten Tages die Übergabe des AGIAMONDO-Engagementpreises, der zum ersten Mal vergeben wurde und den Erzbischof Schick der in der brasilianischen Trockensteppe lebenden AGEH-Fachkraft Maria Oberhofer überreichte. Mit ihrer Entscheidung würdigte die Jury “die Verbindung zwischen der sozialen, politischen und ökologischen Dimension im Sinne von ‘Laudato Si’, die – wie es in der offiziellen Begründung hieß – in der Arbeit von Maria Oberhofer besonders deutlich werde, ebenso wie ihre respektvolle Haltung gegenüber den Menschen, mit denen sie in der Caatinga arbeite, und die Anerkennung der Würde jedes dort lebenden Mitmenschen.
In einer sehr persönlich gehaltenen Laudatio betonte dann der Bischof die "ganze Hingabe, die Fachlichkeit, Solidarität und Spiritualität", mit der sich Maria Oberhofer in den Dienst für eine ganzheitliche Entwicklung der kleinbäuerlichen Familien im Nordosten Brasiliens in den Dienst nehmen lasse. Sie sei mit den Menschen auf dem Weg und verstehe sich nicht als deren Beraterin, sondern Weggefährtin und Freundin. Schick unterstrich: "Ihre Arbeit ist ein Beispiel dafür, was durch die Liebe zu den Menschen und die Ergriffenheit und Demut vor der Umwelt bewirkt werden kann."
Beatrice Tomasetti (DR)
Sehen Sie hier die Bilder vom AGIAMONDO-Festakt mit Preisverleihung.