Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge wird 100 Jahre alt

Volkstrauertag stellt Versöhnung mit Polen in Mittelpunkt

Gedenkstunde im Bundestag, Kranzniederlegung in der Neuen Wache in Berlin und an vielen Gefallenen-Denkmälern in ganz Deutschland. Der Volkstrauertag hat ein düsteres Gepräge. Doch diesmal ist er besonders wichtig.

Autor/in:
Christoph Arens
Kriegsgräberstätte für gefallene Soldaten aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg auf dem Nordfriedhof in Bonn / © Elisabeth Schomaker (KNA)
Kriegsgräberstätte für gefallene Soldaten aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg auf dem Nordfriedhof in Bonn / © Elisabeth Schomaker ( KNA )

Es ist ein ungeliebter Feiertag im traurigen Monat November: Am Sonntag ist Volkstrauertag, und die Deutschen gedenken der Millionen Kriegstoten. Ein stiller Tag, an dessen Einschränkungen für Diskotheken und Tanzveranstaltungen sich viele stoßen. Und mit dessen Ritualen viele Bürger wenig anfangen können.

Diesmal allerdings hat der Tag besondere Bedeutung. 80 Jahre nach dem Überfall auf Polen steht der Volkstrauertag, der vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge ausgerichtet wird, ganz im Zeichen der deutsch-polnischen Versöhnung. Bei der zentralen Veranstaltung im Bundestag werden viele Gäste aus Polen erwartet. Die Gedenkrede hält Rafal Dutkiewicz, der frühere Stadtpräsident von Breslau.

Gedenktag seit 1922

Zugleich feiert der Volksbund sein 100-jähriges Bestehen. Am 16. Dezember 1919 gründete sich die Initiative, um nach deutschen Kriegstoten des Ersten Weltkrieges zu suchen, deren Gräber zu pflegen und den Angehörigen Orte des Gedenkens zu geben. Zuvor hatten sich die Regierungen im Versailler Vertrag verpflichtet, dass die Grabstätten aller Soldaten "mit Achtung behandelt und instandgehalten" sowie Informationen über die Toten ausgetauscht werden. Der Volkstrauertag wurde künftig zum zentralen Gedenktag für die deutschen Kriegsopfer. Die erste offizielle Feierstunde fand 1922 im Reichstag statt.

"Ab 1933 unterwarf sich die Führung des Volksbundes aus eigenem Antrieb der Gleichschaltungspolitik der NS-Regierung", bekennt die Organisation selbstkritisch auf ihrer Homepage. 1934 benannten die Nazis den Volkstrauertag in "Heldengedenktag" um. Träger wurden NSDAP und Wehrmacht.

Aufgabe des Volksbund

Nach Gründung der Bundesrepublik übernahm erneut der Volksbund die Federführung über den Gedenktag und die Gräberpflege. Um sich von der NS-Tradition abzusetzen, wurde der Volkstrauertag auf den November verlegt. Ab 1946 legte der Volksbund zudem in kurzer Zeit über 400 Kriegsgräberstätten in Deutschland an. 1954 betraute die Bundesregierung ihn erneut mit der heiklen Aufgabe, die Gräber der deutschen Kriegstoten im Ausland zu pflegen.

Nach der Wende hat der Volksbund seine Arbeit auch auf die Staaten des einstigen Ostblocks ausgedehnt, wo im Zweiten Weltkrieg mehr als drei Millionen deutsche Soldaten ums Leben kamen, fast doppelt so viele wie im Westen. Viele der über hunderttausend Grablagen seien nur schwer auffindbar oder zerstört gewesen, berichteten Experten. Seit 1991 richtete der Volksbund 331 Friedhöfe des Zweiten Weltkrieges und 188 Anlagen aus dem Ersten Weltkrieg in Ost-, Mittel- und Südosteuropa wieder her oder legte sie neu an. 934.411 Kriegstote wurden auf 83 Kriegsgräberstätten umgebettet.

"Versöhnung über den Gräbern - Arbeit für den Frieden"

Heute betreut der Volksbund die Gräber von etwa 2,5 Millionen Kriegstoten auf 825 Kriegsgräberstätten in 45 Staaten. Auf ihrer Internetseite hält die Organisation zudem unter "Gräbersuche online" Angaben zu den Gräbern von fast fünf Millionen Weltkriegstoten bereit.

Mit wachsender zeitlicher Distanz wird das Gedenken immer schwieriger. Schon seit 1953 führt der Volksbund internationale Jugendbegegnungen und Workcamps unter dem Motto "Versöhnung über den Gräbern - Arbeit für den Frieden" in ganz Europa durch. Das Lernen und die Versöhungsarbeit sind zentral geworden. "Wer an Europa zweifelt und wer an Europa verzweifelt, der soll Soldatenfriedhöfe besuchen, dann zweifelt er nicht mehr", erklärte beispielsweise EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.

Täter neben Opfer

Dabei verliert der Umgang mit den dunklen Kapiteln der deutschen Geschichte nicht an Brisanz. Im Sommer forderte die Linke im Bundestag, keine Steuergelder für die Grabpflege von Kriegsverbrechern zur Verfügung zu stellen. Der Volksbund widersprach: Friedhöfe sollten zu Orten der Auseinandersetzung mit Vergangenheit und Zukunft gemacht werden. Dabei solle die Verantwortung Deutschlands und auch einzelner Toter klar benannt werden.

"Wir wissen, dass rund 10 Prozent der Toten, die auf Kriegsgräberstätten bestattet sind, SS-Einheiten angehörten", hieß es weiter. Gerade die Tatsache, dass einfache Soldaten neben Kriegsverbrechern und Täter neben Opfern lägen – und dass manche auch beides waren – "macht die komplexe und grausame Dimension dieses Krieges deutlich".


Gräber auf einem Friedhof / © locrifa (shutterstock)
Quelle:
KNA