Kirchliche Hochzeiten sind in Japan ganz groß in Mode. Das hat nichts mit einem Boom des Christentums zu tun. Ganz in Weiß in Kirchen zu heiraten gilt einfach als schick. Dieser Trend sagt viel über die Einstellung der Japaner zur Religion aus. "Die Geburt von Kindern wird mit Riten des Shintoismus gefeiert, bei Hochzeiten sind christliche Rituale beliebt, während Trauerfeiern nach buddhistischen Riten abgehalten werden", weiß Pater Bill Grimm. Der 71 Jahre alte, weißbärtige Herausgeber des asiatischen katholischen Pressedienstes Ucanews lebt seit 1973 als Maryknoll-Missionar in Tokio.
Die lockere Einstellung zur Religion hat viele Gründe. "Der Zweite Weltkrieg hat traditionelle Werte zerstört", sagt Grimm im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Viele Japaner hätten sich damals neuen buddhistischen Sekten angeschlossen, seien Christen geworden oder hätten sich komplett von der Religion verabschiedet. Hinzu komme eine in ganz Asien völlig andere Einstellung zur Religion. "In Asien sind Religionen sehr stark ein von Ritualen und Riten bestimmter kultureller Faktor, während im Christentum die Beziehung zu Gott das zentrale Element ist", erklärt Grimm.
Der Katholizismus kam Mitte des 16. Jahrhunderts
Die Hauptreligionen Japans sind der Shintoismus und der Buddhismus. Der Shintoismus besteht aus einer Vielzahl von Kulten, Glaubensformen und Göttern, die auf prähistorische Zeiten zurückgehen, während der Buddhismus erst im 6. Jahrhundert vom asiatischen Festland importiert wurde. Der Katholizismus kam 1549 durch den Mitbegründer der Jesuiten und spanischen Missionar Franz Xaver nach Japan. Die Geschichte der Kirche war in den nachfolgenden Jahrhunderten geprägt von Phasen der Duldung als auch der Unterdrückung und Verfolgung.
Weniger als 40 Prozent der Bevölkerung Japans fühlen sich heute einer der organisierten Religionen zugehörig, ein Trend, gegen den die rund 500.000 Katholiken nicht gefeit sind. Pater Grimm sieht demografische Faktoren als auch die Kirche selbst als Ursachen für die Probleme der katholischen Minderheit. "Die Jugend - also die Enkel der nach dem Krieg zum Katholizismus konvertierten Japaner - ist nicht mehr religiös. Gottesdienste werden fast nur noch von alten Leuten besucht und es gibt kaum noch ein katholisches Umfeld, das den Glauben stärkt und stützt." Die Kirche, so Grimm, habe es zudem nicht verstanden, auf die demografischen Veränderungen zu reagieren. "Es gibt viele katholische Altersheime, aber kaum Kindergärten."
Viele Gastarbeiter unter den Katholiken
Nur etwa die Hälfte der Katholiken im Inselreich sind Japaner. Die andere Hälfte besteht aus Gastarbeitern, vor allem von den Philippinen, sowie aus heimgekehrten Nachfahren von Japanern, die vor Generationen der Armut in ihrer Heimat durch Auswanderung nach Peru und Brasilien entflohen waren. Diese Katholiken würden in der japanischen Kirche nur schwer eine Heimat finden, so Grimm. "Die Priester sind nicht zweisprachig und auch in den Seminaren werden kaum Fremdsprachen gelehrt", hat er beobachtet.
Im September dieses Jahres kritisierte der ehemalige katholische Erzbischof von Tokio, Takeo Okada, in einem Brief an den Papst dessen Amtsführung. In dem Brief an den Pontifex legte er anhand der Punkte Inkulturation, Dezentralisierung und Spiritualisierung dar, dass der Vatikan für die Kirche in Japan nicht nur nicht hilfreich gewesen sei, sondern ihre Arbeit sogar behindert habe. So werde zum Beispiel die neue Version der Allgemeinen Einführung in das Römische Messbuch in einigen Fällen dazu führen, dass Inkulturationen rückgängig gemacht werden müssten, die der Kirche in Japan erlaubt worden seien, sagte Okada gegenüber Ucanews.
Papst trifft auf schwierige Situation
Pater Grimm ist überzeugt, dass Okada in dem Schreiben nicht nur seine Privatmeinung dargelegt habe. "Okada reflektiert die Meinung der Bischöfe", sagt Grimm. Papst Franziskus, der als junger Priester gerne als Missionar nach Japan gegangenen wäre, trifft in seinem Traumland auf eine Kirche in einer schwierigen Situation. Pater Grimm will aber nicht von einer Krise sprechen. "Es ist eher eine Kirche im Umbruch."