Husaini Abdullahi Yusuf trägt das Trikot seiner Fußballnationalmannschaft, der "Super Eagles". Schweigend und zügig wischt er den Boden der Damentoilette. Mit dem Wischmob fährt er in jede Ecke. Als er endlich fertig ist, nickt er zufrieden. "Ich bin dafür verantwortlich, dass es hier immer sauber ist. Und damit es nicht riecht, nehme ich zum Schluss ein Raumspray."
Tatsächlich ist die Toilette auf dem Wuse Market, einem großen, beliebten Markt in Nigerias Hauptstadt Abuja, sehr ordentlich. Und das soll auch so bleiben. Sobald einige Kunden sie benutzt haben, wischt der junge Putzmann nach. Die Nutzung kostet 40 Naira (10 Cent), das Pissoir die Hälfte. Öffentliche Toiletten sind ein lukratives Geschäft - sind sie doch für Millionen Menschen die einzige Möglichkeit, ihre Notdurft zu verrichten.
Wo Plumsklo und gemeinsame Toilette noch real sind
In Nigeria haben nur 41 Prozent der etwa 200 Millionen Einwohner zuhause Toiletten. 16 Prozent müssen sie sich mit Nachbarn teilen - mit manchmal langen Wartezeiten. Weitere 18 Prozent haben immerhin noch Zugang zu einem Plumpsklo. Doch knapp jeder vierte in Nigeria muss dafür ins Freie gehen. Politiker und Experten sprechen von "öffentlicher Defäkation". Diese Zahlen der nationalen Statistikagentur NSB zeigen, dass es noch ein langer Weg ist, bis 2025 jeder in Nigeria ein WC zur Verfügung haben soll - so das erklärte Ziel der Regierung.
Nigerias großes Vorbild ist Indien, wo seit 2014 Premierminister Narendra Modi die ganze Gesellschaft mobilisierte. Überall wurden Toiletten gebaut - was sogar zum Wahlkampfthema taugte. Anfang Oktober erklärte Modi sein Land schließlich für ODF: frei von öffentlicher Defäkation. Nur hinter vorgehaltener Hand erfährt man freilich von einem kulturellen Defekt: Für die traditionelle Hindu-Kultur ist Defäkation im Hause ein No-Go. Folglich werden viele nagelneue indische Toiletten höchstens als Abstellraum benutzt.
Ein richtiges Problem für Schulen und Krankenhäuser
Nach einer Reise nigerianischer Experten in das asiatische Land vor gut einem Jahr rief jedenfalls Präsident Muhammadu Buhari auch für Nigeria den Toilettennotstand aus. Eine landesweite Mobilisierung wie in Indien blieb bislang aber aus. Dabei ist das Problem offensichtlich. Nur jede sechste Schule hat eine Grundversorgung mit Sanitäranlagen und Wasser. Nicht mal jede zweite Krankenstation kann eine Basisversorgung vorhalten. Und während einer offiziellen behördlichen Erhebung hatte in jedem zehnten Haushalt innerhalb der vergangenen sechs Wochen mindestens eine Person eine Durchfallerkrankung.
Laut einer 2017 veröffentlichten Untersuchung der Weltgesundheitsorganisation WHO sterben jährlich weltweit 525.000 Kinder unter fünf Jahren an Durchfall. Laut dem UN-Kinderhilfswerk Unicef haben nur 1,4 Prozent der Märkte und Busbahnhöfe Wasser, Sanitäranlagen und Hygiene, mithin Seife.
Fehltage durch Menstruationsblutungen
Chikwe Ihekweazu, Leiter des nigerianischen Zentrums für Seuchenbekämpfung (NCDC) in Abuja: "Die Herausforderung ist enorm; das Thema ist überall präsent; zuhause, in Schulen, in den Kirchen". Der Mediziner hat sich zur Gewohnheit gemacht, bei Besuchen zuerst nach den Toiletten zu schauen. "Egal, wie gut man als Lehrer ist: Wenn Mädchen keine Toiletten haben, konzentrieren sie sich nicht auf Bildung." Später verlieren Mädchen mit Menstruationsblutungen pro Jahr Dutzende Schultage, weil sie lieber zuhause bleiben.
Ihekweazu spricht mit Gouverneuren und Landkreisvorsitzenden auch über die Bedeutung von sauberem Trinkwasser. "Wir haben jedes Jahr Cholera-Ausbrüche. Nichts ist schmerzhafter! Mit dieser Krankheit sollten wir uns 2019 in Nigeria eigentlich nicht mehr beschäftigen müssen." Nicht nur Politiker und Beamte seien in der Verantwortung, sondern auch die Bewohner selbst, sagt der Arzt: "Sie wollen neue Straßen, Gebäude, Brücken - sie müssen aber auch Trinkwasser einfordern!"
Der junge Toilettenmann Husaini Abdullahi Yusuf auf dem Wuse Market findet seinen Job extrem wichtig. Vor zwei Jahren kam er vom Dorf nach Abuja; er war eigens für diese Arbeit rekrutiert worden. "Zuerst war mir nur wichtig, Geld zu verdienen. Inzwischen freue ich mich aber sehr", sagt er stolz, "dass Leute an einem sauberen Ort ihre Notdurft verrichten können."