Neuer Band der Stadtgeschichte über Heiliges Köln im Spätmittelalter

"Eine Kron', über allen Städten schön"

Der FC im Tabellenkeller, das Stadtarchiv eingestürzt. Köln mag ein Gefühl sein – doch nicht mehr die wichtigste Stadt nördlich der Alpen wie im Spätmittelalter. Ein neues Buch zeichnet nun diese glorreichen Zeiten nach.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
Blick auf Groß St. Martin und den Kölner Dom / © ESB Professional (shutterstock)
Blick auf Groß St. Martin und den Kölner Dom / © ESB Professional ( shutterstock )

Am Ende des Heiligen Römischen Reiches wurde Köln als "hässlich, rückständig, voller Bettler und Pfaffen" beschrieben. Wie anders im späten Mittelalter: Damals war Köln ein Global Player auf dem Zenit seiner Macht. Die Koelhoffsche Chronik, ein Geschichtswerk von 1499, bejubelte es mit den Worten: "Collen, eyn Kroyn boven allen Steden schoyn" ("Eine Kron', über allen Städten schön").

Diese glorreiche Zeit des Spätmittelalters (1288-1512/13) behandelt nun auf über 600 Seiten der neue Band der großen Stadtgeschichte aus dem Greven Verlag, der am Montagabend im Kölner Rathaus vorgestellt wurde. Autoren sind der 2015 gestorbene Rheinland-Historiker Wolfgang Herborn, dessen hinterlassenes Manuskript von Carl Dietmar, Buchautor, Historiker und bis vor kurzem Redakteur beim "Kölner Stadt-Anzeiger", fertiggestellt wurde.

Metropole der Superlative

Auch international war Kölns Position herausragend bis zum Ende des 15. Jahrhunderts. Politisch, wirtschaftlich und in Kunst und Kultur war es eine Metropole der Superlative. Kölner Kaufleute standen in Verbindung mit fast allen Teilen Europas. Der Bau des 1248 begonnenen gotischen Domes im "Hilligen Coellen" schritt zunächst rasch voran. Und die schier unendliche Zahl von Kirchen und verehrten Reliquien lieferte auch die quasi übergeordnete Begründung, warum es der Stadt so überaus gut ging: eben weil sie so heilig war.

Dem Dichter Francesco Petrarca gefiel bei seinem Besuch 1333 besonders das Ritual am Johannistag, als sich zur Sommersonnenwende am Rheinufer Tausende Frauen und junge Mädchen jegliches Unheil für das ganze Jahr abwuschen. Augenzwinkernd vermerkte er: "O überglücklich seid ihr, Anwohner des Rheins, wenn dieser euch euer Elend abwäscht. Das hat bei uns weder der Padus [Po] vermocht noch der Tiber!"

"Interkulturelle Kompetenz zeichnet die Stadt bis heute aus"

Bei der Vorstellung des neuen Bandes im Rathaus sagte Bürgermeisterin Elfi Scho-Antwerpes (SPD), der Ruhm Kölns habe damals auf seiner Heiligkeit beruht, auf internationalem Handel und Wirtschaftskraft. Auch Toleranz und Weltoffenheit rührten daher, versuchte sie einen Bogen zur Gegenwart zu schlagen; diese "interkulturelle Kompetenz" zeichne die Stadt bis heute aus.

Anfangspunkt der Darstellung ist die Schlacht von Worringen 1288, die die Kölner Bürger gegen den eigenen Erzbischof gewannen - ein Höhepunkt in der Entwicklung bürgerlichen Selbstbewusstseins. Ihren Anspruch auf die Stadtherrschaft gaben die Kölner Erzbischöfe bis zum Ende des Alten Reiches zwar nie auf. Doch residieren mussten sie fortan in Bonn und Umgebung.

Fortschrittliche Verfassung im Jahr 1396

1396 gaben sich die Bürger eine fortschrittliche Verfassung, die fast 400 Jahre Bestand haben sollte. Frauen spielten eine wichtige Rolle im Wirtschaftsleben; nirgends sonst im Reich hatten sie so viele Rechte - und sogar eigene Frauenzünfte. Die Prosperität der Stadt führte 1388 auch zur Gründung der Kölner Universität - der ersten in Europa, deren Stifter Bürger und nicht Fürsten waren.

Auch auf "trübe Kapitel" in glorreicher Zeit verwies der Vorsitzende der Historischen Gesellschaft Köln, Jürgen Wilhelm; etwa den Umgang mit jüdischen Bürgern und Kaufleuten. Ihr wirtschaftlicher Erfolg führte zu Neid und zu sozialen Spannungen mit der übrigen Bürgerschaft. Viele Juden wurden beim Pogrom von 1349 ermordet, alle vertrieben. Nach einer Wiederansiedlung beschloss der Rat dann 1424 die "endgültige" Ausweisung der Juden, inklusive Enteignung und (natürlich) Nichtrückzahlung der bei Juden angehäuften Kreditschulden.

Ende am Vorabend der Reformation

1475 verteidigte sich Köln im "Neusser Krieg", auch Kölner Stiftsfehde genannt, gegen den bis dahin größten Angriff auf seine Unabhängigkeit - allerdings unter horrenden Kosten. Gegen Ende des Spätmittelalters traten in Süddeutschland neue wirtschaftliche Player auf den Plan, die Köln ein- und allmählich überholten: die Große Ravensburger Handelsgesellschaft, die Reichsstadt Nürnberg oder die Fugger in Augsburg.

Der Band endet mit dem Vorabend der Reformation, die Köln mit voller Wucht erfassen sollte. Selbst der Kölner Erzbischof wurde zwischenzeitlich evangelisch. Das erzählt dann der nächste Band der Reihe, der im Herbst 2021 erscheinen soll.


Quelle:
KNA