Das Fortschreiten der Säkularisierung in Europa ist nach Ansicht des Sozialphilosophen Hans Joas nicht unabwendbar festgelegt. Es gebe keineswegs einen Automatismus, nach dem zunehmende gesellschaftliche und wirtschaftliche Modernisierung zur Säkularisierung führten, so Joas am Dienstagabend in Leipzig.
Sakralisierungen als Gegenbewegung
So seien trotz einer Schwächung von Religion immer auch Gegenbewegungen in Form von neuen "Sakralisierungen" zu beobachten. Als ein Beispiel nannte er eine "Sakralisierung der Nation", wie sie beispielsweise in der NS-Zeit stattgefunden habe.
Zudem gebe es "die ständige Gefahr der Selbstsakralisierung von Kollektiven", erklärte Joas weiter: "Ich fürchte, dass die Selbstsakralisierung der Kirche als heilige Institution für den sexuellen Missbrauch durch Geistliche einen beträchtliche Rolle gespielt hat."
Säkularisierung wird für unterschiedliche Prozesse verwendet
Darüber hinaus bemängelte der Sozialphilosoph, dass der Begriff "Säkularisierung" nicht eindeutig, sondern für sehr unterschiedliche Prozesse verwendet werde. "So muss zum Beispiel die Trennung von Kirche und Staat kein Symptom für die Schwächung von Religion sein", betonte Joas bei einer Veranstaltung der Katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen.