DOMRADIO.DE: Oft wird kritisiert, dass die Kirche den Menschen nicht nahe genug sei, dass sie sich zu sehr mit sich selbst befasst. Die Finanzen, der Missbrauchsskandal, Reformstau, das sind die Dinge, die Schlagzeilen machen. Wie kann die Kirche es denn schaffen, wieder mehr ihre positive Botschaft an die Leute zu bringen?
Weihbischof Ansgar Puff (Erzbistum Köln): Wir sollten uns den Spruch von Papst Franziskus richtig zu Herzen nehmen: 'Ein Baum, der gefällt wird, macht mehr Krach als ein Wald, der wächst.' Der Wald im Wachstum ist zum Beispiel ein besonderer Gottesdienst im "Zeitfenster" in Aachen. Das ist eine Gemeinde, eine Kirche, die Gottesdienste macht für Menschen, die sich mit der normalen Gottesdienstform nicht mehr wohlfühlen. Sehr positiv und sehr beeindruckend!
Ein anderes Beispiel: Es gibt den Verein LebensRaum Kirche, der einen Dialograum für Menschen in einem großen Einkaufszentrum, in der huma-Einkaufswelt in Sankt Augustin, schafft. Getragen wird er von der evangelischen und katholischen Kirche gemeinsam. Man geht ganz normal einkaufen und dabei stößt man auf Kirche. Das finde ich super. Im Erzbistum Köln haben wir unsere Engagementförderer: 60 Planstellen für vier Jahre, die helfen, das Ehrenamtliche richtig gut arbeiten können. Und so kann man das Ganze immer weiter führen: Man kann ganz viele Beispiele nennen, wo Kirche wächst, wo Gutes passiert.
DOMRADIO.DE: Sie haben gerade die Engagementförderung hier im Erzbistum Köln angesprochen. Können Sie genau erklären, was das ist?
Puff: Die Idee ist, dass ein Ehrenamt auch ein Hauptamt braucht. Bei der Flüchtlingshilfe haben sich sehr viele Ehrenamtliche engagiert – fast 20.000 im Erzbistum Köln. Dabei haben wir gelernt, dass die noch besser engagiert sein können, wenn sie hauptamtlich unterstützt werden. Daraus und aus anderen Quellen ist ein Projekt entstanden, wo im Erzbistum Köln jetzt in 60 Stellen für vier Jahre Personen eingestellt worden sind. Die Pfarreien haben das Geld dafür bekommen, die haben eingestellt.
Engagementförderer sind nicht unbedingt Theologen, das sind Sozialpädagogen, Theaterleute, Leute aus der Wirtschaft, die aber mit Menschen umgehen können und noch mal einen anderen Blick reinbringen. Und die arbeiten jetzt seit zwei Jahren höchst erfolgreich. Und wir sind sehr, sehr dankbar, dass es dieses Engagement gibt.
DOMRADIO.DE: Oft werden auch Predigten kritisiert, die die Gottesdienstbesucherinnen und -besucher nicht mehr erreichen. Sie predigen zum Beispiel im Kölner Dom. Wie schafffen Sie es, bei den Leuten wirklich anzukommen?
Puff: Das müssen die Leute selber beurteilen, ob es ankommt. Ich finde, man muss so normal reden, wie man normalerweise immer redet. Man darf nicht diese Kirchensprache sprechen, die heute kein Mensch mehr versteht.
DOMRADIO.DE: Jetzt kennen wir sie aus unserem Radioprogramm auch daher, da sie uns jeden Tag einen Impuls liefern für das Nachtgebet abends um 22 Uhr. Das gibt es auch als Video auf DOMRADIO.DE, Facebook und YouTube. Das ist ja auch eine ganz andere Art der Verkündigung. Sie machen das ja jetzt schon seit ein paar Jahren. Wie sind da Ihre Erfahrungen? Da es ja auch nicht nur positive Reaktionen darauf.
Puff: Ja, das ist immer so. Ich orientiere mich ein bisschen am Heiligen Paulus. Der sagte ja: 'Verkünde (das Wort Gottes), sei es gelegen oder ungelegen.' Und ich bin ja persönlich total sicher, dass der Heilige Paulus heute Social Media-Arbeit machen würde. Genau so, wie er damals Briefe geschrieben hat. Ich glaube, das ist ein Medium, das man einfach nutzen muss, um die gute Botschaft rüberzubringen. Und natürlich ist das nicht für alle angenehm. Da gibt es dann auch schon mal kritische Stimmen, aber ich finde es trotzdem super.
DOMRADIO.DE: Wie lautet Ihr Ratschlag für Verantwortliche in der Kirche?
Puff: Es viele ermutigende Beispiele, von denen wir lernen können. Und: Es geht Person vor Funktion – das ist wichtig. Vor allem: Man muss es einfach machen. Also loslegen, Gedanken machen, Ideen finden und sich nicht groß von Bedenkenträgern beeindrucken lassen. Wenn der Heilige Geist einem was ins Herz geschrieben hat: das machen.
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.