Die Kirche in den USA steckt tief in der Krise

"An der Vergangenheit zu knabbern"

Die Kirche in den USA kommt nicht zur Ruhe. Ein Bischofsrücktritt, die Aussetzung einer Seligsprechung und eine drohende Klageflut sorgen für Wirbel. Was sind die Hintergründe? 

Kreuz auf us-amerikanischer Flagge / © Victor Moussa (shutterstock)
Kreuz auf us-amerikanischer Flagge / © Victor Moussa ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: 15 US-Bundestaaten haben die bislang kurzen Fristen für Missbrauchs-Klagen vor Gericht abgeschafft. Womit muss die katholische Kirche in den USA jetzt rechnen?

Klaus Prömpers (Journalist und USA-Kenner): Genaugenommen haben sie die Verjährungsfristen abgeschafft und sind damit den Forderungen vieler Opfer gefolgt. Es gibt dort Rechtsanwälte, die nun sehr offensiv um Klienten werben, die sich sexuell missbraucht fühlen. Das geschieht beispielsweise durch Fernsehanzeigen, durch Radiospots und auch durch Anzeigen in Zeitungen. Da ist, so sagt ein New Yorker Anwalt, der unmittelbar gegenüber der St. Patrick’s Cathedral auf der Fifth Avenue residiert, mittlerweile ein Berg von 5000 zusammengekommen, aus verschiedenen Staaten, die sich sexuell missbraucht fühlen. Von Kalifornien bis New York. Das könnte sehr leicht zu Klagen mit Schadenssumme von mehreren von Milliarden US-Dollar kommen. In der Regel sind solche Klagen natürlich sehr überhöht. Hinterher kommt dann irgendein Vergleich heraus, aber dennoch würde das sicher für die eine oder andere Diözese bedeuten, dass sie darüber bankrott gehen könnte.

DOMRADIO.DE: Rollt eine ähnliche Klageflut nun auch auf andere Kirchen und ähnliche Institutionen zu?

Prömpers: Das ist nicht auszuschließen, wenn die Verjährungsfristen aufgehoben sind. Es gab natürlich sexuellen Missbrauch auch in anderen Religionen oder auch in anderen Institutionen, sprich Waisenhäusern und ähnlichen. Wenn das Schule macht, könnten natürlich auch andere Missbrauchsopfer den Anspruch auf finanzielle Entschädigungen erheben. Ob dem in jedem Einzelfall nachgegeben wird, wird zu überprüfen sein. Das wird sicher lange und langwierige Verfahren in Gang setzen, die auch den einen oder anderen kleinen Landkreis, der möglicherweise ein Waisenhaus betrieben hat in der Vergangenheit, in arge finanzielle Nöte bringt.

DOMRADIO.DE: Für kurz vor Weihnachten war eine Seligsprechung geplant - die ist jetzt kurzfristig abgesagt worden. Es geht dabei um den sehr populären Erzbischof Fulton John Sheen. Auf Bitten einiger US-Bischöfe ist diese Seligsprechung ausgesetzt worden. Wer war dieser Erzbischof Sheen und was sind die Gründe für die Aussetzung?

Prömpers: Sheen ist sozusagen ein Pionier des Radios und des Fernsehens, was die Vermittlung katholischer Glaubensinhalte in den USA angeht. Er hat zwischen 1930 und 1950 eine regelmäßige Radiosendung gehabt, die nannte sich übersetzt „die katholische Stunde“ und hatte einen hohen Zuspruch. Ab 1951, praktisch seit Einführung des Fernsehens, hat er über mehrere Jahre eine Sendung ins Leben gerufen und selber auch halbstündig "Das Leben ist lebenswert". Er hat dabei den Glauben mit dem Alltag zusammengebracht, hat dafür zwei Emmys gewonnen, also hohe Auszeichnungen für Fernsehkunst.  In New York hat er auch eine Zeit auch als Weihbischof gelebt, und war hinterher auch für kurze Zeit Bischof in Rochester, im Bundesstaat New York. Hat sich davon aber später zurückgezogen, weil er weiter seine Fernsehgeschichten gemacht hat. Er lag lange Zeit begraben in der Krypta der Diözese New York City, in der St. Patrick’s Cathedral.

Es kam jetzt vor kurzer Zeit zu einem Streit zwischen der Diözese Peoria in Illinois und New York, wo die Gebeine letztendlich sein sollten. In Peoria war er geboren und auch später zum Priester geweiht worden. Die Diözese in Illinois hat sich jetzt gerichtlich durchgesetzt, die Gebeine überführen zu dürfen. Das haben sie mittlerweile getan. Man vermutet auch in diesem Fall, dass der Seligsprechungs-Prozess aufgehalten worden ist. Ob da im Hintergrund möglicherweise auch sexueller Missbrauch oder das Vertuschen von sexuellem Missbrauch stattgefunden haben könnte, in der Zeit, wo er Bischof von Rochester war, muss jetzt erörtert werden.

DOMRADIO.DE: Was bedeutet das denn, wenn eine so populäre und mediengewandte Persönlichkeit der US- Kirche wie Erzbischof Sheen plötzlich in den Missbrauchsskandal hin hineingezogen wird?

Prömpers: Aktuell nicht sehr viel. Er war eben eine erste katholische "Rampensau", wenn ich das so sagen darf, einer der im Fernsehen und Radio gut rüberkam. Er ist zu einer Leitfigur geworden für viele Fernsehprediger, die ihm gefolgt sind. Selbst Billy Graham hielt ihn für einen der Pioniere in diesem ganzen Genre. Das ist also insofern bedauerlich, wenn da jetzt dieser Schatten eines möglichen Vertuschens von Missbrauchsfällen auf ihn fällt. Aber es ist vielleicht doch berechtigt, zu prüfen, ob da wirklich was dran ist, bevor er selig und heilig gesprochen werden könnte.

DOMRADIO.DE: Und am Mittwoch hat Papst Franziskus den Rücktritt des Bischofs von Buffalo, Richard Malone, angenommen. Dieser stand wegen seines Umgangs mit der Aufklärung von Missbrauchsvorwürfen in der Kritik. Ist durch diesen Rücktritt jetzt wenigstens etwas Dampf aus dem Kessel gelassen worden?

Prömpers: Für die Diözese glaube ich schon, wo er bis 2012 Bischof war. Das kann ich mir vorstellen, denn das, was das Schwerste war, war der Vorwurf an zwei Priester, sie hätten sich an einem Seminaristen vergangen. Das war ein offenes Gerücht. Der Bischof selber hat immer gesagt, das sei eine sehr komplexe und komplizierte Geschichte, und man könne das nicht so ohne weiteres verurteilen. Wenn man ihn jetzt, wenn ich das so sagen darf, aus dem Schussfeld nimmt, und ihn aus der Öffentlichkeit zurückzieht als Bischof, er ist ohnehin schon 73 Jahre alt, dann beruhigt das vor Ort möglicherweise die Gemüter. Aber es zeigt einmal wieder schlagartig, dass die Katholische Kirche in den USA, aber sicher nicht nur dort, sehr daran zu knabbern hat, was in der Vergangenheit eben alles toleriert und vor allem vertuscht worden ist.

Das Gespräch führte Uta Vorbrodt. 


Klaus Prömpers (privat)
Klaus Prömpers / ( privat )
Quelle:
DR