DOMRADIO.DE: Haben Sie auch wahrgenommen, dass immer mehr ältere Menschen Ihr Angebot nutzen?
Werner Christmann (Koordinator der Siegburger Tafel): In der Tat. In den letzten zwei Jahren verzeichnen wir hier 50 bis 60 Prozent Senioren, die die Siegburger Tafel in Anspruch nehmen.
DOMRADIO.DE: Wie erleben Sie diese Menschen?
Christmann: Sie sind anonymisiert, das heißt, sie stellen sich ja nicht vor. Wir machen auch keine Bedürftigkeitprüfung, sodass jeder hier anonym die Lebensmittel kostenlos in Anspruch nehmen kann.
DOMRADIO.DE: Sie machen den Job schon seit 25 Jahren. Waren die Tafel-Nutzer früher denn vom Alter her durchmischter?
Christmann: Ja, da waren alle Generationen vertreten. Jetzt haben wir zwei Altersgruppen: Zunächst einmal sind es in überwiegender Zahl Senioren, aber auch junge Leute, die jetzt Wohnungen beziehen und feststellen, dass sie mit dem Geld nicht auskommen.
DOMRADIO.DE: Dabei gäbe es da ja Hilfe, also Grundsicherung, andere staatliche Unterstützung. Allerdings wird die von vielen gar nicht beantragt, sagen aktuelle Zahlen. Was glauben Sie, warum?
Christmann: Das ist eine gewisse Scham, die dahinter steckt. Die älteren Personen scheuen den Weg zum Amt, sind auch zum Teil überfordert mit den Formularen, mit dem Antragsverfahren.
DOMRADIO.DE: Die Tafeln kommen dadurch immer wieder an ihre Grenzen, was Angebot und Nachfrage angeht. Ist das bei ihnen auch so?
Christmann: In der Tat. Die Siegburger Tafel ist eine spezifische Tafel. Sie gibt hauptsächlich Backwaren aus. Davon haben wir genug. Was allerdings andere Sachen anbelangt - Kosmetika, Kleidung oder andere Lebensmittel - da vernehme ich von den anderen Tafeln, dass eine gewisse Knappheit herrscht.
DOMRADIO.DE: In der Adventszeit spenden Menschen in der Regel mehr als zu anderen Zeiten im Jahr. Merken Sie davon etwas?
Christmann: Das merken war an der großen Aktion, die wir am kommenden Sonntag, am dritten Advent, zum 25. Mal durchführen, unter der Schirmherrschaft von Wolfgang Overath. Da kommen sehr viele Spenden zusammen. Gerade im Advent sind die Menschen viel spendabler.
Das Interview führte Verena Tröster.