"Willst du froh und glücklich leben, lass kein Ehrenamt dir geben." Wilhelm Busch hatte wenig übrig für freiwilliges Engagement. "Willst du nicht zu früh ins Grab, lehne jedes Amt gleich ab", riet er in einem seiner Gedichte.
Franz Müntefering ist da anderer Meinung: Ein Ehrenamt sei besser als Aspirin, preist der Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen freiwilliges Engagement als Medikament gegen Einsamkeit. Auch Michael Knappstein von der Kienbaum International School of Management in Dortmund ist sich sicher, dass Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren, glücklicher sind. "Viele Berufe werden einfacher und sinnentleerter. Deshalb suchen viele nach einer Arbeit, die Sinn stiftet", sagt er und empfiehlt Arbeitgebern, das gesellschaftliche Engagement ihrer Mitarbeiter zu fördern.
Zusammenhang zwischen Bildungsabschluss und Engagement
Dabei hat ehrenamtliches Engagement zugenommen, wie der "Ziviz-Survey 2017" des Stifterverbands und der bislang letzte, 2016 veröffentlichte Freiwilligen-Survey der Bundesregierung nahe legen. Die Zahl der Organisationen der Zivilgesellschaft kletterte auf über 630.000. Mehr als 30 Millionen oder rund 43 Prozent der Bundesbürger ab 14 engagieren sich freiwillig, so die Bundesregierung. Allerdings schwanken die Zahlen je nach Studie und Verständnis von Ehrenamt stark.
Glaubt man dem Freiwilligen-Survey, engagieren sich die meisten bei "Sport und Bewegung" (37,3 Prozent). Es folgen "Schule und Kindergarten" (20,9 Prozent) sowie "Kultur und Musik" (20,7 Prozent). Der "soziale Bereich" mit 19,5 Prozent und der "kirchlich-religiöse Bereich" mit 17,5 Prozent schließen sich an.
Nicht alle Gruppen sind gleichermaßen dabei. Ländliche Regionen verlieren Ehrenamtler. Menschen mit niedrigem Bildungsabschluss und Migrationshintergrund sind weniger aktiv. Rund 45 bis 48 Prozent der unter 65-Jährigen engagieren sich, bei den Älteren sind es etwa zehn Prozent weniger.
Kurzfrist-Ehrenamt auf dem Vormarsch
Auch die Art des Ehrenamts ändert sich. Neuere Lebensmodelle sowie wachsende Mobilität sorgen dafür, dass etwa die Feuerwehren mit Problemen kämpfen, während Fördervereine im Kulturbereich oder zeitlich begrenzte Entwicklungsprojekte Zuspruch erfahren. Dazu kommt, dass typische Ehrenamtskarrieren immer seltener werden. Banden sich Bürger früher oft ein Leben lang an Kirchenchöre, Parteien und Gewerkschaften, ist heutzutage kurzfristiges Engagement angesagt. Junge Leute engagieren sich verstärkt über Internetplattformen in Projekten, die eine Anwesenheit vor Ort nicht mehr zwingend erforderlich machen.
Für Kirchen, Verbände oder Kommunen bedeutet das: Sie müssen attraktive Bedingungen bieten, um Mitarbeiter werben und sie betreuen. Mittlerweile beraten hunderte von Freiwilligenagenturen und -datenbanken und vermitteln Tätigkeiten.
Bundesstiftung für Ehrenamt - Parallelstruktur?
Auch die Bundesregierung will sich stärker um die "Kümmerer" kümmern - wie Familienministerin Franziska Giffey (SPD) ankündigte. Beschlossen ist die Errichtung einer Bundesstiftung zur Förderung von Engagement und Ehrenamt. Besonders fördern soll sie Innovationen im Bereich Digitalisierung und Ehrenamtsstrukturen in strukturschwachen Regionen. 30 Millionen Euro sollen dafür jährlich zur Verfügung stehen; ihren Sitz soll die Stiftung in Neustrelitz in Mecklenburg-Vorpommern haben. Der Bundestag muss noch grünes Licht geben.
Allerdings gibt es auch Kritik am Konzept: "Anstatt erfahrene Organisationen wie die Bürgerstiftungen, Freiwilligenagenturen oder das Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement einzubinden, baut die Bundesregierung Parallelstrukturen auf", kritisieren etwa die Grünen. Sie bezweifeln, dass das Geld mit dem vorgelegten Konzept vor Ort ankommen wird.
Auch die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) warnte aus Anlass des Internationalen Tages des Ehrenamtes am Donnerstag vor Doppelstrukturen. "Wir erwarten, dass die Verbändelandschaft im Allgemeinen und das Engagement von Frauen im Besonderen stärkere Beachtung finden", erklärte die kfd-Bundesvorsitzende Mechthild Heil am Dienstag. Notwendig seien konkrete Verbesserungen und die Anerkennung der im Ehrenamt erworbenen Qualifikationen - etwa durch einen bundeseinheitlichen Engagementnachweis.