Indiens Oberster Gerichtshof spricht Christen frei

"Erfolg für den Rechtsstaat in Indien"

Nach mehr als zehn Jahren Haft sind sieben indische Christen wieder auf freiem Fuß. Der Oberste Gerichtshof sprach sie vom Vorwurf frei, einen Hindu-Guru ermordet zu haben. Der Fall hatte weltweit Aufsehen erregt.

Justitia-Figur / © Sebboy12 (shutterstock)

Von einem "großen Erfolg für die Religionsfreiheit, die Zivilgesellschaft und den Rechtsstaat in Indien" spricht das katholische Hilfswerk missio Aachen. Und von einem zähen Kampf für die Rechte von Christen in Indien.

Mehr als zehn Jahre nach der bislang größten hindu-nationalistischen Gewaltwelle gegen Christen hat der Oberste Gerichtshof des Landes jetzt ein Zeichen gesetzt: Er sprach fünf Christen frei, die wegen des angeblichen Mordes an einem hinduistischen Geistlichen im Jahr 2008 zu lebenslanger Haft verurteilt worden waren. Zwei weitere Beschuldigte waren schon vor wenigen Monaten aus der Haft entlassen worden. Menschenrechtsorganisationen und Kirchenkreise vor Ort bestätigten laut missio-Mitteilung vom Dienstag, dass die Beschuldigten sich mittlerweile auf freiem Fuß befinden.

Vorwurf des Mordes

Den sieben Christen war vorgeworfen worden, im August 2008 in der Region Kandhamal im Bundesstaat Odisha den hindu-nationalistischen Guru Swami Laxmananda ermordet zu haben. Obwohl maoistische Gruppen sich zu der Tat bekannten, machten nationalistische Scharfmacher sofort Christen für die Tat verantwortlich. "Dies war ein Angriff der Kirchen auf die Religion der Hindus", erklärte Pravin Bhai Tagodia, der Chef des berüchtigten "Welthindurates" (VHP).

In der Woche darauf töteten Fanatiker über 100 Christen. Nach einer Bilanz von kirchlichen Organisationen brannten sie rund 400 Dörfer, 5.600 Häuser und 395 Kirchen nieder. 40 Frauen - darunter auch Ordensschwestern - wurden vergewaltigt. Etwa 56.000 Männer, Frauen und Kinder mussten aus ihren Dörfern fliehen und können teilweise bis heute nicht zurückkehren.

Wegen vermeintlichen Mordes an dem Guru wurden sieben christliche Familienväter zu lebenslanger Haft verurteilt. "Sie kamen einfach mitten in der Nacht und haben meinen Mann mit Gewalt aus unserem Dorf gezerrt", berichtete die Ehefrau eines Betroffenen, Nilandii Nayak. "Wer uns hilft, bekommt selbst Probleme", berichtete eine andere der Ehefrauen. "Ich kann keinem Hindu mehr trauen."

Einsatz für die Freilassung

Für die Freilassung der Verhafteten sammelte missio Aachen unter #freeourhusbands bundesweit Unterschriften. Auch die indische katholische Bischofskonferenz startete eine Initiative zur Freilassung der Unschuldigen.

Menschenrechtler, Priester, Psychologen und Juristen der indischen Kirche halfen zudem in einem missio-Projekt den sieben Familien. Sie kämpften für ein Wiederaufnahmeverfahren und vermittelten den Angehörigen Basiswissen für Bildung und Geschäftsgründungen, um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können.

Bis heute werde die juristische Aufarbeitung der Pogrome von den Behörden verschleppt, erklärte Bingener. Viele Anzeigen würden nicht bearbeitet. "Wir werden weiter darauf drängen, dass die Verbrechen gegen die Christen in Odisha endlich umfassend aufgearbeitet, alle Betroffenen entschädigt und die Täter verurteilt werden."

Menschenrechtsorganisationen beklagen religiöse Intoleranz

Insgesamt beklagen Menschenrechtsorganisationen und Vertreter der christlichen Minderheit verstärkte religiöse Intoleranz in Indien - angeheizt auch durch neue Konflikte mit Pakistan. Selbst kleine Anlässe wie der Verzehr von Rindfleisch durch Muslime könnten zu Lynchmorden führen. Unter Ministerpräsident Narendra Modi habe sich der Einfluss nationalistischer Hindus verstärkt.

Mit besonderer Sorge beobachten Menschenrechtler und Kirchen, wie die fanatische Hindu-Bewegung RSS, die eng mit der Regierungspartei BJP verknüpft ist, an Einfluss gewonnen hat. "Indien den Hindus", lautet die Parole. Kritiker Modis befürchten, dass die indische Verfassung ihren säkularen und demokratischen Charakter verlieren könnte.

Auch der Vorwurf der Missionierung bedrängt Christen und Muslime. Mehrere Bundesstaaten haben Antikonversionsgesetze erlassen - die aber nicht greifen, wenn es um Konversionen zum Hinduismus geht. Seit Jahren werfen Hindu-Organisationen den Kirchen vor, gezielt Niedrigkastige und Dalits ("Unberührbare") zu missionieren. Die Kirche dementiert dies und spricht von freiwilligen Übertritten mit dem Ziel, dem Kastensystem zu entkommen.


Quelle:
KNA