Ein Jahr Bolsonaro-Regierung

Abholzung, Indigene und konservativ-evangelikale Wende

Viele seiner zu Amtsbeginn gemachten Versprechen löste Brasiliens Präsident Bolsonaro nicht ein, vor allem seine evangelikalen Anhänger sind enttäuscht. Viele Befürchtungen jedoch, etwa in der Umweltpolitik, wurden wahr.

Autor/in:
Thomas Milz
Jair Bolsonaro / © Silvia Izquierdo (dpa)
Jair Bolsonaro / © Silvia Izquierdo ( dpa )

Sein erstes Weihnachten als Präsident feierte Jair Messias Bolsonaro mit einem evangelikalen Kult voller "Halleluja" und "Amen!". Unter Tränen dankte er für das "zweite Leben", das Gott ihm nach dem Messerattentat im Wahlkampf 2018 geschenkt habe. Zudem beschwor er Brasiliens Bestimmung, wie das große Vorbild Israel eine Oase des Glücks und Wohlstands zu werden.

Seine Zuhörer, darunter führende evangelikale Politiker, applaudierten. Doch gerade unter ihnen fällt die Bilanz des ersten Regierungsjahres des Ex-Militärs bitter aus. Weder verschärfte er die Abtreibungsgesetze, noch strich er "linke Ideologien" aus den Lehrplänen. Der öffentliche Dienst sei durchsetzt mit "Linken", rechtfertigte sich der Präsident, zudem torpediere der Kongress seine Ideen.

Auch das Hauptversprechen, Brasiliens Botschaft nach Jerusalem zu verlegen, löste er aus Angst vor Wirtschaftssanktionen der arabischen Welt nicht ein. Bisher sei es der Wirtschaftslobby generell gelungen, ihn zum Pragmatismus zu zwingen, urteilen Politologen. Auf die Wirtschaftsbosse muss Bolsonaro hören, denn nach fünf Jahren Krise muss Wachstum her, sonst wenden sich die Wähler ab. Jetzt schon ist seine Beliebtheit mit unter 30 Prozent schlechter als die der Vorgänger.

Instrumentalisiert Bolsonaro sein Christsein?

Die Evangelikalen, rund ein Drittel aller Brasilianer, bilden das Rückgrat seiner Wählerbasis. Sie glaubten seinen Plänen zu einer moralisch-religiösen Wende, die er bei Kirchenbesuchen beschwört.

"Seine Verbindung zum Christentum der Pfingstbewegung ist lediglich eine strategische Allianz, gemeinsame Wurzeln hat man nicht", urteilt jedoch der Religionswissenschaftler Francisco Borba Neto von der katholischen Universität Sao Paulo.

So bezeichne sich Bolsonaro weiterhin als "Katholik", obwohl er sich 2016 von einem evangelikalen Pastor medienwirksam im Jordan habe taufen lassen, erinnert Borba.

Auch hätten die Angriffe auf politische Gegner im ersten Amtsjahr seinen "unchristlichen Charakter" gezeigt. Borba erinnerte zudem an das Lob Bolsonaros für den Folter-Chef Carlos Alberto Brilhante Ustra, der für den Tod Dutzender Menschen während der Diktatur (1964-1985) verantwortlich war. Bolsonaro nennt ihn einen Nationalhelden.

"Man kann einen öffentlichen Amtsträger, der Folterer lobt und auf die Statue eines Diktaturopfers spuckt, keinen Christen nennen", so Borba. Zudem verteidige Bolsonaro den Tod von Verbrechern, posiere stets mit Waffe im Anschlag und verhöhne Pazifisten. "Bolsonaro wünscht sich ein Brasilien der ständigen Konfrontation aller gegen aller, und er scheint das zu schaffen."

Offensiv-rhetorische Außenpolitik

Mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron stritt er öffentlich wegen der Abholzung am Amazonas. Mitte des Jahres meldete die staatliche Klimabehörde Inpe dort einen rasanten Anstieg von Rodungen und Bränden. Bundeskanzlerin Angela Merkel, die sich ebenfalls besorgt zeigte, möge lieber Deutschland aufforsten, statt sich in brasilianische Angelegenheiten einzumischen, so Bolsonaro.

Offen beschuldigte er ausländische Nichtregierungsorganisationen und indigene Völker, die Brände gelegt zu haben, um sein Image zu beschädigen. Den Inpe-Chef entließ er, nachdem er ihn als Agent ausländischer Mächte bezeichnet hatte. Die Rückschritte in der Umweltpolitik - die Rodungen legten um 30 Prozent zu - und die offene Konfrontation mit den Indigenen, deren Reservate er für die wirtschaftliche Erschließung öffnen will, haben Brasiliens Image weltweit geschadet.

Bolsonaro glaubt nicht an den Klimawandel, er will Amazonien stattdessen wirtschaftlich ausbeuten. Umweltschützer und indigene Organisationen wie der katholische Indigenen-Missionsrat Cimi berichten derweil von immer mehr Gewalt und Umweltzerstörung in den unter Bolsonaro kaum kontrollierten Weiten des Amazonasgebietes. Denn die Gelder für die Umweltbehörden hat er drastisch gekürzt.

Lediglich die Androhung von wirtschaftlichen Konsequenzen, wie die Nicht-Ratifizierung des Mitte des Jahres abgeschlossenen Handelsabkommens mit der EU, könne Bolsonaro zum Einlenken bringen, meinen Umweltschützer. Und tatsächlich hat das erste Amtsjahr gezeigt, dass Bolsonaro durchaus Pragmatiker sein kann. China, das er noch im Wahlkampf als Hort der kommunistischen Weltverschwörung bezeichnete, nennt er nun Freund und Partner. Zur Freude der Wirtschaft und zum Groll seiner evangelikalen Anhänger.


Quelle:
KNA