Der Vorwurf lautet auf Diskriminierung und Rassismus: Seit Jahren spaltet der "Zwarte Piet" (Schwarze Peter) die Niederländer. Auch im abgelaufenen Jahr diskutierte das Land einmal mehr über die Hautfarbe des Nikolaushelfers, der in der Regel schwarz geschminkt ist, die Lippen rot angemalt hat und Ohrringe trägt. Auch in Deutschland gab es bisweilen Proteste, weil katholische Sternsinger, als Heilige Drei Könige verkleidet, zur Weihnachtszeit mit einem schwarz geschminkten König von Haus zu Haus zogen. In manchen Gemeinden wird aufs Schminken mittlerweile ganz verzichtet.
Das sogenannte "Blackfacing" - 2015 als Begriff zum Anglizismus des Jahres gewählt - als Angriff auf die Menschenwürde? Dabei können die Anfänge der Darstellung eines dunkelhäutigen Königs in der christlichen Bildsprache und in der europäischen Kunst geradezu als Zeichen der Aufgeschlossenheit für Afrika gedeutet werden. Erst ab Ende des 14. Jahrhunderts, so der französische Mittelalterhistoriker Michel Pastoureau in seinem Buch "Schwarz. Geschichte einer Farbe", finde sich auf Wappen und Bildern ein schwarzhäutiger König: "Seine Darstellung bezeugt eine neue Einstellung zu Afrika und zur Farbe Schwarz."
Literatur und Malerei
Zuvor, im europäischen Mittelalter, war schwarze Haut in Literatur und Malerei fast ausschließlich negativ besetzt. Sie wurde denjenigen zugeschrieben, die sich außerhalb der gesellschaftlichen, religiösen oder moralischen Ordnung bewegten - vor allem Henkern, Hexen und Teufeln. Auch der Verräter Judas wurde oft mit dunkler Haut, schwarzen Lippen - wegen des verräterischen Kusses - oder mit schwarzem Heiligenschein dargestellt.
Dunkle Hautfarbe sprachen die mittelalterliche Malerei und Literatur auch den Sarazenen zu, also den muslimischen Gegnern der hellhäutigen und blonden Kreuzritter. "Je dunkler die Haut, desto suspekter die Person", fasst Pastoureau die symbolische Bedeutung der Farbe zusammen. Aus Sarazenen wurden im Sprachgebrauch Mauren (von Mauretanien), auf Deutsch auch Mohren. Das schloss nicht nur die Völker Nordafrikas ein, sondern sämtliche Muslime von Spanien bis zum Mittleren Osten.
Autorität und Nüchternheit
Das änderte sich mit dem 14. Jahrhundert. Schwarz wurde positiv aufgeladen, symbolisierte Autorität und Nüchternheit. Es hielt Einzug in die Kleidung der Patrizier in den Städten und in die Amtstracht von Würdenträgern und Geistlichen. Es wurde zur Farbe der Königshäuser und der Kurie. Und in Malerei und Literatur tauchen vermehrt positiv besetzte Persönlichkeiten mit schwarzer Hautfarbe auf. Und auch einer der Heiligen Drei Könige wird plötzlich dunkel - etwa in Hieronymus Boschs Altarbild "Anbetung der Heiligen Drei Könige".
Schwarze Hautfarbe steht ab jetzt für Exotik und für den Anspruch des Christentums, alle Völker zu bekehren. Nicht zuletzt spiegelt sich für Pastoureau darin die wachsende Neugier der Europäer, die sich mehr und mehr über die Grenzen des eigenen Kontinents hinauswagten.
Mit Stolz zur Schau getragen
Allerdings: Trotz dieses spektakulären Farbwechsels war der schwarze König laut dem französischen Mittelalterforscher "weder das älteste noch das beste Beispiel für die Christianisierung einer dunkelhäutigen Figur". In dieser Rolle ging ihm nicht nur die legendäre Königin von Saba voraus, die im Alten Testament König Salomo einen Besuch abstattete, sondern auch der im ganzen Abendland verehrte heilige Mauritius (Moritz).
Mauritius war Kopte und römischer Soldat. Er starb im dritten Jahrhundert den Märtyrertod. Wegen seiner Tapferkeit stieg er im 12. Jahrhundert neben Sankt Michael und Sankt Georg zum Schutzpatron der Ritter auf. War sein Gesicht in den Darstellungen anfangs ebenfalls weiß, so nahm er seit dieser Zeit immer deutlicher afrikanische Züge an. "Der Schutzpatron der Ritter war von da an ein Schwarzer, der seine afrikanischen Züge mit Stolz zur Schau trug", schreibt Pastoureau.
Übrigens: Welcher der drei Könige nun der schwarze sein soll, ist bis heute nicht abschließend geklärt. Meist gilt Caspar als "Vertreter Afrikas", manchmal aber auch Melchior oder Balthasar.