In Berlins von Bauskandalen gezeichneter Architekturgeschichte gibt es offenbar ein Happy End. Die Friedrichswerdersche Kirche kann nach einer grundlegenden Sanierung wiedereröffnet werden, nachdem dies lange ungewiss schien. Bei Tagen der offenen Tür an diesem Samstag und Sonntag können sich Besucher erstmals selbst ein Bild davon machen, was Restauratoren im ersten neugotischen Gotteshaus der Hauptstadt geleistet haben.
Es wurde zwischen 1824 und 1830 von Preußens berühmtem Baumeister Karl Friedrich Schinkel (1781-1841) unweit des Stadtschlosses errichtet. Er schuf damit den ersten repräsentativen Ziegelbau an der Spree. Den Zweiten Weltkrieg überstand die doppeltürmige Kirche so, dass die DDR-Regierung sie bis zum 750-Jahr-Stadtjubiläum 1987 restaurieren konnte.
Risse im Mauerwerk
Danach beherbergte sie Spitzenwerke aus der Skulpturensammlung der Alten Nationalgalerie, buchstäblich im Zentrum steht eines der bekanntesten Werke von Johann Gottfried Schadow. Es zeigt die preußische Kronprinzessin und spätere Königin Luise zusammen mit ihrer jüngeren Schwester Friederike. Schon der freie Eintritt sorgte wohl dafür, dass viele Berlin-Besucher zumindest eine Stippvisite dort machten.
Damit war vor acht Jahren Schluss. Baugruben für neue Luxuswohnungen um das Baudenkmal führten dazu, dass sich Risse im Mauerwerk auftaten und die Statik gefährdet war. Einer zog sich gar durch den ganzen Kirchenboden vom Eingang bis zum Altar. Den Einsturz des Kölner Stadtarchivs im Jahr 2009 vor Augen, schien die Gefahr nicht ausgeschlossen, dass die Friedrichswerdersche Kirche ähnlich enden könnte.
Nach den umfassenden Sicherungsmaßnahmen ist die Gefahr jetzt gebannt, zeigt sich Ralph Gleis, der Leiter der Alten Nationalgalerie, erleichtert. Der Bauträger der Luxuswohnungen hat nach Medienberichten acht Millionen Euro für Sanierung und Restaurierung aufgebracht. Nun präsentiert sich der Innenraum wie vor 2012, die reparierten Schäden im Mauerwerk sind nur bei genauem Hinschauen erkennbar.
Auch die befürchtete Verdunkelung des Kircheninneren durch die Randbebauung ist nach Einschätzung von Gleis weit weniger eingetreten als befürchtet. Doch optisch eingezwängt durch die neuen "Stadtvillen" wird die Kirche bleiben, bemängeln Kritiker und beklagen ein Versagen des Denkmalschutzes.
Unfreiwillige Ausstellungspause
Die Staatlichen Museen zu Berlin haben die unfreiwillige Ausstellungspause für eine Neukonzeption der Schau genutzt. Künftig werden nicht nur Werke der Berliner Bildhauerschule aus der Schinkelzeit, sondern auch deren französischen und italienischen Vorbilder sowie Einflüsse auf Skulpturen des wilhelminischen Kaiserreichs vorgestellt, wie Yvette Deseyve erklärt. Die Kuratorin für Skulptur an der Alten Nationalgalerie verweist zur Begründung der internationalen Perspektive auch auf das Umfeld, etwa das gegenüber stehende Auswärtige Amt und das im Aufbau befindliche Stadtschloss, das Berlins völkerkundliche Sammlungen aufnehmen wird.
Bevor die Besucher der Friedrichswerderschen Kirche wieder die Werke aus Gips und Marmor bewundern können, wird es aber noch dauern.
Vorerst bleiben die Sockel frei, erst im September erhalten sie wieder ihre Exponate. Bis dahin werden an jedem zweiten und vierten Sonntag im Monat öffentliche Führungen angeboten. Schon sie ermöglichen den Blick in den einzigen originalgetreu erhaltenen Kirchenraum Schinkels im Zentrum Berlins.