DOMRADIO.DE: Ein Kommentar für Blinde beim Rosenmontagszug, wie funktioniert das?
Wolfgang Gommersbach (Die Kölner Stimmen, Live-Kommentator und Moderator): Wir sitzen auf der Tribüne und die Nutzer von uns haben dann einen Kopfhörer auf und Empfangsgeräte, die sie sich um den Hals hängen, damit sie sich frei bewegen können. Und wir versuchen dann, möglichst detailgetreu das rüberzubringen, was wir selber wahrnehmen. Und das ist je nach Zuggeschwindigkeit natürlich eine besondere Herausforderung.
DOMRADIO.DE: Kommentiert man das denn anders für Blinde, als man es für sehende Menschen machen würde?
Gommersbach: Ja, definitiv. Es geht darum, sehr viel mehr Details zu transportieren. Wenn jemand gar keine Vorstellung davon hat, wie dieser Wagen aussieht, dann geht es ja genau darum, das zu vermitteln. Wie groß ist so ein Wagen ungefähr? Ist der zwei Personen hoch oder drei Personen hoch? Wieviele Etagen gibt es in dem Wagen? Wie sehen die Kostüme aus? Wie sehen die Wagen selber aus? Welche Details kann man erkennen? Welche politischen Botschaften, welche Anspielungen stecken dahinter? In erster Linie sind wir sehr viel und ganz detailreich am Reden.
DOMRADIO.DE: Im vergangenen Jahr gab es die Premiere mit der Aktion. Was sind da so die Erfahrungen gewesen? Wie reagieren die Leute auf so ein Angebot?
Gommersbach: Absolut positiv. Wir versuchen, den Menschen etwas mehr zu geben, als wenn sie als normaler Teilnehmer am Zug sind und vielleicht dann von jemandem etwas beschrieben bekommen, aber dann vielleicht das ein oder andere auf der Strecke bleibt. Deswegen ist es genau unsere Aufgabe, möglichst viel davon zu vermitteln, was wir selber wahrnehmen.
DOMRADIO.DE: Jetzt kann mir vorstellen, dass es relativ anstrengend ist. So ein Rosenmontagszug dauert ja eine Weile.
Gommersbach: Ja, das stimmt. Für meine Kollegin Andrea Schönenborn von den Kölner Stimmen und auch Sängerin von den Funky Marys war es eine neue Erfahrung. Sie hatte in diesem Bereich noch nicht viel gemacht hatte.Wir hatten letztes Jahr noch eine Schulung extra für das Thema Rosenmontagszug. Ich selber mache das ja seit vielen Jahren beim 1. FC Köln. Aber es ist schon noch mal was anderes, ob man das zweimal 45 Minuten macht im Wechsel oder ob man da fünfeinhalb Stunden dran ist. Das ist anstrengend, da ist man ganz schön platt. Aber es macht natürlich auch Spaß.
DOMRADIO.DE: Was ist denn noch anders als beim Fußballkommentator?
Gommersbach: Beim Fußball muss man auf Ballhöhe sein, also wirklich zu vermitteln, wo sich der Ball gerade befindet und was auf dem Platz gerade passiert. Das ist auch der Unterschied zum Radiokommentar, wo dann verschiedene Szenen der letzten Minuten nacherzählt werden. Und im Radio ist man selten die ganze Zeit live. Wir versuchen, dass die Worte fast zeitgleich sind mit dem, was am Spielfeld passiert. An der Atmosphäre erkennt man ja schon relativ früh, was passiert.
DOMRADIO.DE: Und beim Karneval muss man das ein bisschen mehr in die Länge ziehen?
Gommersbach: Nicht unbedingt. Die Eindrücke, die auf einen einprasseln, das, was man wahrnimmt, die ganzen Details, die an Kostümen und Wagen dran sind, da kommt man bei vielen Sachen einfach nicht dazu, es komplett zu erzählen. Das ist selten so, dass wir mal zwischendurch fertig sind, weil immer wieder Kleinigkeiten sind, die nett oder spannend sind. Dazu kommt natürlich, dass die Andrea gefühlt den gesamten Karnevalszug kennt. Sie kennt viele Menschen, die dabei sind, und kann von daher immer wieder die richtigen Infos geben. Langweilig wird uns definitiv nicht.
DOMRADIO.DE: Ihr müsst euch ja unfassbar gut auskennen bei den ganzen Gesellschaften.
Gommersbach: Nein, nicht wirklich. Natürlich wollen wir uns gut auskennen in der Materie. Aber in erster Linie geht es ja darum, das zu transportieren, was wir wahrnehmen. Und da geht es weniger darum, die bekannten Gesellschaften und Namen zu erwähnen. Klar, die fallen einmal. Aber in erster Linie sind wir dabei, die Details zu beschreiben, die wir sehen. Das unterscheidet uns schon ein bisschen vom normalen Radio oder Fernsehkommentator.
DOMRADIO.DE: Sagen wir mal, der Prinz fährt gerade vorbei auf einem großen goldenen Wagen. Was würdest du da erzählen, wenn er kommt?
Gommersbach: Man sieht schon von weitem, wie er oben drauf ist, dass rechts und links Kamelle fliegen ohne Ende und dass die Begeisterung an ihren Höhepunkt kommt dazu. Und dann versucht man natürlich auch zu schildern, wie der Prinz aussieht und was er macht. Vielleicht entdeckt man noch einen Prominenten. Das ist wirklich eine Herausforderung. Diese paar Sekunden für diesen Wagen rüberzubringen.
DOMRADIO.DE: Es gibt mehr und mehr Städte, die versuchen, sich auf Menschen mit Einschränkungen einzustellen, oder?
Gommersbach: Ja, ganz genau. Da macht der Landschaftsverband Rheinland schon eine ganze Menge. Wir kümmern uns um den Blindenkommentar am Rosenmontagszug. Aber eine Audiodeskription gibt es zum Beispiel auch bei der Prinzenproklamation in Bonn oder auch in Aachen. In Düsseldorf gibt's verschiedene Angebote. Es wächst immer mehr. Rollstuhlfahrerplätze sind ja Gott sei Dank mittlerweile überall etabliert. Und das Angebot für Blinde kommt jetzt mehr und mehr auch in diesem Bereich dazu. Und es gibt ja auch noch das Gebärdendolmetschen, zum Beispiel am Karnevalssonntag. Da wird die Moderation von Gebärdendolmetschern begleitet, das ist ein ganz tolles Erlebnis für viele Gehörlose. Da gibt es unheimlich viele Sachen, damit dieses Motto "Karneval für alle" wirklich gelebt werden kann.
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.