Vor 75 Jahren starb Pater Richard Henkes im KZ Dachau

Ein "innerlich freier" Mensch mit Gespür für die Wahrheit

Der Einsatz für die Menschenwürde anderer kostete ihn das Leben. Im KZ Dachau pflegte Pater Richard Henkes freiwillig Typhuskranke - bis zu seinem eigenen Tod vor 75 Jahren. Dafür wurde Henkes 2019 seliggesprochen.

Autor/in:
Norbert Demuth
Transparent zur Seligsprechung von Richard Henkes / © Julia Steinbrecht (KNA)
Transparent zur Seligsprechung von Richard Henkes / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Aus seinem letzten überlieferten Brief spricht das Entsetzen über die Unmenschlichkeit im KZ Dachau: "Die Leute sterben in Massen, weil sie vollständig ausgehungert sind. Es sind dann nur noch Gerippe. Ein grauenhaftes Bild", schreibt der Pallottinerpater Richard Henkes am 4. Februar 1945. Knapp zwei Jahre zuvor, am 8. April 1943, war der Geistliche wegen einer regimekritischen Predigt von der Gestapo im oberschlesischen Ratibor verhaftet und ins KZ Dachau gebracht worden, wo er Zwangsarbeit leisten musste.

Er selbst war zwar im "Priesterblock" des Lagers untergebracht, hatte aber - weil er Tschechisch konnte - immer wieder mit Block 17 zu tun, wo viele Tschechen lebten. Ende 1944 brach in dem KZ eine Typhusepidemie aus, auch im sogenannten Tschechen-Block. Henkes wollte sich um die Kranken kümmern. "Im Wissen um die eigene tödliche Bedrohung ließ Pater Henkes sich freiwillig bei den Typhuskranken einschließen", so der Pallottinerorden heute. Henkes infizierte sich und starb am 22. Februar 1945 selbst an der Krankheit, vor 75 Jahren.

"Aufwiegelung des Volkes von der Kanzel"

Inzwischen ist Pater Henkes von der katholischen Kirche in die Reihe der Seligen aufgenommen worden. In einem feierlichen Gottesdienst im Limburger Dom sprach Kurienkardinal Kurt Koch ihn am 15. September 2019 selig. An der Zeremonie nahmen rund 1.000 Gäste teil, darunter zahlreiche Besucher aus Tschechien und Polen. Kardinal Koch erklärte, Henkes habe sich im KZ mutig für Menschen eingesetzt, die keine Hoffnung auf ein Überleben hatten. "Auch an dem menschenverachtenden Ort hat er seine Glaubensüberzeugung bewahrt."

Henkes, der am 26. Mai 1900 im Westerwaldort Ruppach geboren und 1925 in Limburg zum Priester geweiht wurde, hatte das christliche Menschenbild gegenüber den Nazis verteidigt. Seit 1931 war er als Prediger und Exerzitienleiter in Oberschlesien tätig. Mehrmals wurde er bei der Gestapo angezeigt. Im April 1943 wurde er schließlich wegen "Aufwiegelung des Volkes von der Kanzel" verhaftet und ins KZ Dachau gebracht.

Charisma und Selbstlosigkeit

Limburgs Bischof Georg Bätzing würdigte Henkes als "innerlich freien Menschen". Der Pater habe von klein auf ein Gespür für Wahrheit und Wahrhaftigkeit gehabt und die Propaganda der Nazis durchschaut. Pater Helmut Scharler, Provinzial der Pallottiner, sieht Henkes als "charismatischen Priester, dessen Persönlichkeit im Laufe seines Dienstes gereift ist und schließlich zur Selbstlosigkeit führte".

Henkes wusste letztlich, dass er den Nazis ausgeliefert war. Dennoch verlor er offenbar nicht seinen Glauben an Gott, wie sein letzter Brief zeigt: "Man macht sich allerdings Gedanken, wie das hier einmal ausgehen wird", schrieb Henkes darin 18 Tage vor seinem Tod. "Machen können wir nichts, wir können uns nur auf den Herrgott verlassen."

Das Seligsprechungsverfahren war 2003 vom damaligen Limburger Bischof Franz Kamphaus eröffnet worden. Papst Franziskus hatte schließlich im Dezember 2018 anerkannt, dass Henkes als Märtyrer gestorben sei, wegen "Hasses gegen den Glauben".

"Auf den Spuren von Pater Richard Henkes

Das Bistum Limburg bietet vom 23. bis 25. April 2020 eine Studienfahrt "auf den Spuren von Pater Richard Henkes" nach Dachau und München an. Geplant sind unter anderem ein Besuch des NS-Dokumentationszentrums und eine Führung durch die KZ-Gedenkstätte Dachau.

Anlässlich der Seligsprechung hatte das Bistum eine "Graphic Documentary" herausgegeben - eine Art Comic für Erwachsene. Der Titel lautet "Und wenn die Wahrheit mich vernichtet". Die Berliner Autoren und Illustratoren Alexandra Kardinar und Volker Schlecht - die unter dem Label "Drushba Pankow" firmieren - erzählen darin den Lebensweg Henkes' bis ins KZ Dachau, unter anderem auf Grundlage überlieferter Briefe.

Martin Ramb, Abteilungsleiter für Religionspädagogik im bischöflichen Ordinariat in Limburg, sagte dazu: "Als ich davon hörte, dass Pater Henkes seliggesprochen wird, war mir sofort klar, dass wir einen Märtyrer der NS-Zeit unbedingt in einer unverbrauchten Sprache den Menschen von heute näherbringen müssen." Durch sein Zeugnis habe Henkes im KZ ein Stück Menschlichkeit verteidigt. Er habe gezeigt, "dass jeder und jede in der Zeit des Naziterrors auch anders hätte handeln können".


Pater Richard Henkes / © Archiv (Pallotiner)

Kreuzreliquie von Richard Henkes / © Harald Oppitz (KNA)
Kreuzreliquie von Richard Henkes / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
KNA