DOMRADIO.DE: Ist die Krisensituation der katholischen Kirche in Österreich mit der in Deutschland vergleichbar?
Klaus Prömpers (Journalist): Auf jeden Fall. Denn auch in Österreich hat der Missbrauch innerhalb der katholischen Kirche durch den Klerus zu tiefen Einschnitten geführt – zu Rücktritten, zu Austritten und zu einem großen Zweifel daran, wie es weitergehen soll. Nun steht man auch hier ähnlich wie in Deutschland vor der Situation, dass der Vorsitzende der Bischofskonferenz, aktuell noch Kardinal Schönborn, Ende nächster Woche aufhören wird. Nächste Woche wird ein neuer Vorsitzender gewählt. Die Laien versuchen nun, sich zu organisieren. Sie haben weniger Mitspracherechte als in Deutschland.
Es gibt nichts unmittelbar Vergleichbares wie das Zentralkomitee der deutschen Katholiken, sondern es gibt einen katholischen Laienrat. Der hat mit Interesse die Auftaktveranstaltung des Synodalen Wegs in Frankfurt beobachtet und sich nun ausführlich informieren lassen. Einerseits durch den Innsbrucker Professor und Pastoraltheologen Christian Bauer, der über "Mehr Synodalität wagen" und Inspirationen von Papst Franziskus sprach, und durch Stefan Vesper, den früheren Generalsekretär des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, der die Erfahrungen der ersten Sitzung und den Verlauf dorthin skizziert hat – und das ausgerechnet am vergangenen Samstag, als der Papst ankündigte, dass die Bischofssynode 2022 zum Thema "Für eine synodale Kirche: Gemeinschaft, Teilhabe und Mission" stattfinden wird.
DOMRADIO.DE: Stefan Vesper war Gastredner, sie haben es schon erwähnt. Was hat er den Österreichern mit auf den Weg gegeben?
Prömpers: Das war eine Mischung aus Hoffnung und einer kleinen Portion Skepsis. Er hat sie aber ermuntert zu versuchen, einen ähnlichen Weg einzuschlagen. Auch wenn das nicht so ganz einfach in der österreichischen Kirche sein wird, weil sie sehr unterschiedlich verfasst ist. Es gibt nicht, wie in Deutschland überall Diözesanräte, die gewählt sind und die Laien gegenüber den Bischöfen vertreten. Es gibt auch nicht überall Pfarrgemeinderäte, die gibt es in der einen oder anderen Diözese Österreichs.
Auf dem Weg dahin wurde man 1998 massiv gestoppt, da gab es schon mal einen Gesprächsprozess, eingeleitet von den Laien damals und vom Aufbruch der Kirche nach der Würzburger Synode und allem, was sich bis dahin ereignet hatte. Er wurde damals vom Pöltener Bischof Krenn, einem sehr umstrittenen, schließlich auch wegen Missbrauchs zurückgetretenen Bischof, über Rom gestoppt.
Nun muss man versuchen, neue Fäden mit den künftigen Bischöfen hier in Wien und anderswo zu knüpfen, um einen solchen Prozess in Gang zu kriegen. Es gibt dafür bereits eine Arbeitsgruppe, strukturierte strategische Absprache nennt man das. In einer gemeinschaftlichen Anstrengung zwischen Laien und Bischöfen soll versucht werden, in diese Richtung zu denken und auszutesten, was wirklich möglich ist.
DOMRADIO.DE: Wie ist denn der Reformwille in der österreichischen Amtskirche? Gibt es viele Bischöfe, die sagen, dass es so nicht weitergehen kann?
Prömpers: Sie sind, glaube ich, nicht in der Mehrheit, so wie es in Deutschland im Moment zu sein scheint. Die Bischöfe zwischen Reformern und Traditionalisten verteilen sich eher 50:50 – und zwar dadurch, dass der Vorsitz demnächst neu besetzt wird und der Stuhl des Bischofs von Klagenfurt-Gurk gerade neu besetzt worden ist mit einem Kärntner Slowenen. Daran sieht man, dort kommt etwas Zug in die katholische Kirche Österreichs rein.
Der Wille ist bei vielen vorhanden. Allerdings muss man auch sagen, es gibt eine Menge Katholiken, die sehr konservativ am Bestehenden festhalten und das zementieren wollen. Da stehen sich zwei Gruppen gegenüber, wie auch in Deutschland. Man kann nur beobachten, wer am Ende in der Lage sein wird, Fortschritt oder Rückschritt zu organisieren.
DOMRADIO.DE: Aber einen Synodalen Weg so wie in Deutschland, den gibt es in Österreich nicht?
Prömpers: Man bemüht sich jetzt, in dieser Gruppe des strukturierten Dialogs darauf hinzuarbeiten. Im Grunde, wenn man nach Deutschland guckt, muss man ja auch sehen, ohne die Initiative von Kardinal Marx in der Schlussphase seiner Ausübung als Vorsitzender der Bischofskonferenz wäre der ganze Prozess nicht in Gang gekommen. Nun wird man wahrscheinlich auch hier in Österreich warten müssen: Wer wird Nachfolger von Kardinal Schönborn, der mit 75 seinen Rücktritt eingereicht hat?
Er wird noch nicht sofort zurücktreten, aber er wird das Amt des Vorsitzes der Bischofskonferenz Österreichs niederlegen. Dann ist die Frage, wer da von den Orts- und Weihbischöfen gewählt werden wird und ob er dann auch den Mut hat, in diese Richtung zu denken, voranzugehen und die Laien einzuladen, gemeinschaftlich eine Reform der Kirche zu bewerkstelligen.
DOMRADIO.DE: Gestern waren in Köln zum Beispiel wieder viele Frauen auf der Straße, organisiert durch die Bewegung "Maria 2.0.". Wird in Österreich auch über die Rolle der Frauen in der Kirche diskutiert?
Prömpers: Ja, durchaus. Man hat mit etwas Neid auf die Initiative "Maria 2.0." geschaut, die in Deutschland ja großen Anklang gefunden hatte. Aber in dem breiten Umfang, wie das in Deutschland passiert ist, hat das hier nicht stattfinden können. Es gibt schon viele Frauen, die sich in dieser Richtung engagieren wollen.
Aber es gibt allerdings auch viele Frauen, die schon ein bisschen resigniert sind, auch im katholischen Laienrat. Dort sind zu meiner großen Überraschung von den etwa 40 Teilnehmern lediglich vier Frauen, also zehn Prozent. Das ist also wesentlich unter dem, was normalerweise der Frauenanteil in einer Pfarrgemeinde in der Kirche insgesamt sein dürfte. Da gibt es ein bisschen Aufbruch, aber, ich glaube, auch eine ganze Menge Resignation.
DOMRADIO.DE: Ein kurzer Blick in die Zukunft. Was ist Ihre Prognose? Wird sich etwas in der österreichischen Kirche ändern?
Prömpers: Das hängt sehr davon ab, wer der nächste Vorsitzende wird. Ich denke schon, dass eine Möglichkeit und die Notwendigkeit bestehen. Insofern, denke ich, werden sich die Menschen auch zusammenraufen und sehen, dass sie wirklich etwas auf den Weg bringen, was sich als Reform darstellen lässt. Gerade auch im Hinblick auf die Bischofssynode 2022 wird man vielleicht auch erste vorsichtige Schritte im Windschatten des deutschen Synodalen Weges gehen.
Das Interview führte Dagmar Peters.