DOMRADIO.DE: Wie ist die Lage bei Ihnen?
Pfarrer Werner Demmel (Direktor des Pilgerzentrums in Rom): Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Es ist ein absoluter Ausnahmezustand. Man spürt auch schon, dass es mit den Menschen um einen herum etwas macht. Ich bin jetzt die letzten Tage überwiegend zuhause gewesen, habe Homeoffice gemacht. Meine Mitarbeiter spüren auch die Ängste, die sie haben, wenn sie ihre Wohnungen verlassen.
Jetzt kommt dieser Paukenschlag dazu mit Ostern, den wir hier alle schon erwartet haben, muss ich ganz ehrlich sagen. Und trotzdem schockt es einen und man fragt sich: Was ist das für ein Ostern – ohne Papstgottesdienste, an denen man teilnehmen kann, ohne richtige Auferstehungsfreude haben zu können? Es wird etwas Trauriges mitspielen. Die Stadt hier, die ja sonst überlaufen ist mit Pilgern und Touristen, wirkt wie eine Geisterstadt.
DOMRADIO.DE: Was sehen Sie da aktuell für ein Bild, wenn Sie zum Beispiel auf dem Weg vom Büro nach Hause sind? Was sehen Sie da und was erleben Sie da?
Demmel: Die Straßen sind leer. Die meisten Kirchen sind zu, nur die Pfarrkirchen sind geöffnet. Es finden keine Gottesdienste statt. Im Bus habe ich heute Morgen mit zwei oder drei Asiaten allein drin gestanden – alle mit Mundschutz und Gummihandschuhen. Ich lehne es bis jetzt noch ab und versuche mich mit der normal gebotenen Hygiene zu schützen, nämlich Händewaschen, Händewaschen, Händewaschen und nach Möglichkeit Abstand halten.
Ganz kurios ist die Situation vor den Lebensmittelgeschäften hier. Diese Hamsterkäufe, wie sie in Deutschland üblich sind, sieht man hier nicht. Aber die Menschen stehen sehr diszipliniert im Abstand von zwei Metern vor den Geschäften und lassen sich einweisen. Einer geht raus, einer geht hinein. Es ist eine merkwürdige Situation.
DOMRADIO.DE: Sie sind die erste Anlaufstelle für die deutschen Pilger in Rom. Sind denn überhaupt noch welche von denen da oder haben Sie aktuell mit denen gar nichts mehr zu tun?
Demmel: Wir sind letzte Woche schon mit Absagen von zugesagten Terminen für Gruppen, die sich Messorte haben reservieren lassen oder Führungen in den Ausgrabungen und Katakomben haben anschauen wollen, überschwemmt worden. Wir sind dabei, im Moment nur Absagen zu bearbeiten und uns zu bedanken, dass sie uns informieren und den Leuten Mut zu machen, zu einem neuen Termin irgendwann einmal nach Rom zu kommen.
DOMRADIO.DE: Wie sieht es mit den Deutschen aus, mit denen Sie Kontakt haben in der Stadt. Was sagen die?
Demmel: Die sind teils sehr gelassen. Manche haben aber noch rechtzeitig die Koffer gepackt und sind nach Hause geflogen. Für mich macht es auch gar keinen Sinn, hier zu bleiben und andererseits macht es aber auch keinen Sinn, nach Deutschland zu gehen. Denn wenn ich noch wollte, ist nun der Flughafen eingeschränkt in Betrieb. Zudem werden die Grenzen jetzt zumachen. Würde ich noch durchkommen, müsste ich in Quarantäne. Dann würde ich also isoliert zu Hause sitzen. Von daher, denke ich, es ist "gehupft wie gesprungen", wie man so schön sagt im Deutschen.
DOMRADIO.DE: Sie haben gerade schon gesagt, die Pfarrkirchen sind offen, die anderen Kirchen sind zu. Was kriegen Sie denn mit vom Glaubensleben der Italiener? Wie gehen die mit der Lage im Moment um?
Demmel: Es ist so: Die Beteiligung an den Sonntagsgottesdienst ist hier in der Regel noch sehr hoch, viel höher als in Deutschland. Trotzdem erlebe ich die Römer in Gelassenheit.
Es spielt sich jetzt vieles in den Familien ab und auf den Balkons, wenn sie einen haben. Und sie haben ja vielleicht auch schon von diesen Aktionen gehört, dass man um 18 Uhr abends die Fenster aufmacht und laut Musik spielt oder sogar auf dem Balkon singt und sich dadurch gegenseitig Mut macht und sagt: Wir lassen uns nicht unterkriegen.
Ich weiß nicht, ob die Italiener es im ersten Moment so wirklich wahrgenommen haben, dass die Kirchen komplett zu sind. Es gab ja gleich wieder einen Schritt zurück. Der Generalvikar der Diözese hat erst einmal alles schließen lassen, dann hat der Papst doch darauf gedrungen, dass wenigstens die Kirchen offen sind, sodass die Leute einen Ort haben, an dem sie beten können und sich Trost holen können.
DOMRADIO.DE: Das ist wichtig im Moment. Das ist natürlich auch für die Römer so wie für uns. Wenn Sie jetzt noch in die Zukunft schauen, wie planen Sie jetzt überhaupt? Man kann ja eigentlich kaum sagen, was nächste Woche ist.
Demmel: Nein, wir planen jetzt zunächst einmal auch nur bis zum 3. April. Was dann ist, müssen wir weiter schauen. Ich gehe davon aus, dass die Frist verlängert wird und dass wir auf Sparmodus hier weiterlaufen und einfach nur durchhalten.
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.