Eremitin über Social Distancing und das Dasein als Einsiedlerin

Zum Leben in Einsamkeit braucht es Erfahrung

"Social Distancing" hat in Zeiten von Corona Konjunktur. Maria Anna Leenen führt als Eremitin seit langem ein Leben in Abgeschiedenheit. Im Interview erklärt sie, wie ein Leben mit möglichst wenig sozialen Kontakten gelingen kann.

Einsiedlerin Maria Anna Leenen  (dpa)
Einsiedlerin Maria Anna Leenen / ( dpa )

KNA: Gebete geben Ihrem Alltag in einem alten Bauernhaus bei Osnabrück die Struktur. Dazu kommt unter anderem die Arbeit als Autorin. Gerade haben Sie ihr neues Buch fertiggestellt: "Musik meines Lebens. Impulse für ein Leben mit Gott." Sie leben seit bald 25 Jahren in selbst gewählter Einsamkeit - gab es Momente, in denen Sie Ihren Entschluss bereut haben?

Maria Anna Leenen (Eremitin in Osnabrück): Nein, bereut habe ich diesen Entschluss nie. Meine Freude an dieser Lebensform wird mit jedem Jahr intensiver, auch wenn es wie im Moment schwierig ist: Ich habe gerade kein Wasser, weil der Brunnen defekt ist, das Festnetztelefon funktioniert nicht, genauso wie Kühlschrank und Staubsauger.

KNA: Da kommt ja einiges zusammen...

Leenen: So ist das nun mal auf dem Land. Eine Einsiedelei ist kein Luxushotel.

KNA: Waren Sie immer schon so gelassen?

Leenen: Für das Leben in Einsamkeit braucht es eine gewisse Erfahrung. Zunächst habe auch ich vieles lernen müssen. Den inneren Weg und den Umgang mit den nicht leichten äußeren Gegebenheiten in diesem Leben musste ich auch erst finden. Aber seither wird es eigentlich immer schöner. Das Leben in der Zurückgezogenheit schärft den Sinn für die Menschen, die Welt und für die Gegenwart Gottes. Das erfüllt mich mit tiefer Dankbarkeit und Freude.

KNA: In Deutschland und anderen Ländern geht gerade die Angst um. Um das Corona-Virus zu bekämpfen, rufen Politiker dazu auf, zuhause zu bleiben und Sozialkontakte soweit wie möglich zurückzufahren. Was sagen Sie denen, die sich vor Einsamkeit fürchten?

Leenen: Dafür habe ich auch kein Patentrezept. Mein Eindruck ist, dass viele Menschen sich über Dinge identifizieren, die von außen an sie herangetragen werden: Konsum, Job und eine daraus resultierende Bestätigung durch Verwandte, Freunde und Kollegen. Die Epidemie wirft uns dagegen auf uns selbst zurück.

KNA: Das heißt?

Leenen: Dass wir die Chance haben, uns selbst besser kennenzulernen und einmal zu fragen, was uns wirklich Freude bereitet. Und uns dankbar dafür zu zeigen, dass wir sind, dass wir leben. Das lässt sich nicht auf Knopfdruck verordnen. Aber vielleicht stellt der ein oder andere dabei fest, dass er mit sich selbst gar nicht so schlecht bedient ist. Es hilft davon abgesehen eh nichts, sich an Problemen festzubeißen, die sich beispielsweise aus den Anordnungen der Behörden ergeben.

KNA: Was empfehlen Sie gegen Langeweile?

Leenen: Mit Langeweile habe ich ein echtes Problem - ich kenne diesen Zustand einfach nicht.

KNA: Das werden nur die wenigsten von sich behaupten können.

Leenen: Ein Tipp wäre vielleicht: Musik hören, die etwas Tempo hat und danach tanzen. Das bringt den Kreislauf in Schwung, schüttet positive Stoffe aus und hilft gegen Ängste.

KNA: An was denken Sie konkret?

Leenen: An einige der Kompositionen, die ich in meinem neuen Buch "Musik meines Lebens" vorstelle. Je nach Stimmung reicht das Spektrum von Hildegard von Bingen bis Adel Tawil. Aber auch Adele und alte Jazzstücke gehören dazu.

KNA: Wie schaut's in Sachen Lektüre aus?

Leenen: Ich empfehle, das 8. Kapitel des Römerbriefes laut zu lesen und zwar mehrmals.

KNA: Warum ausgerechnet den Brief des Apostels Paulus an die Römer?

Leenen: Gerade der Schluss, die Verse 35 bis 39, schenken uns eine unwahrscheinliche Verheißung: Nichts, aber auch gar nichts kann uns von dieser bedingungslosen Liebe Gottes trennen. Für mich ist das ein großer Trost und eine starke Hoffnung in jeder Lebenslage. Da ändert auch so ein verflixtes Virus nichts dran!

KNA: Haben Sie selbst Angst vor der Corona-Pandemie?

Leenen: Nein, habe ich nicht.

Das Interview führte Joachim Heinz.

Information zum Buch: Maria Anna Leenen, "Musik meines Lebens. Impulse für ein Leben mit Gott", Bonifatius-Verlag, Paderborn 2020, 18,90 Euro (erscheint Ende Juni)


St. Anna Klause / © privat
St. Anna Klause / © privat
Quelle:
KNA