DOMRADIO.DE: Ist dir schon langweilig im Homeoffice oder was machst du gerade als Journalistin in Andalusien?
Isabella Escobedo Söntgerath (Deutsche Journalistin in Spanien): Es gibt auf jeden Fall genug zu tun. Es sind sehr aufwühlende Zeiten. Gerade hier an der Peripherie Europas gibt es einige Themen aufzudecken. Die Wichtigkeit der europäischen Berichterstattung wird gerade in diesen Zeiten deutlich, finde ich.
DOMRADIO.DE: Warum ist das für Journalisten gerade auch eine spannende Zeit?
Escobedo Söntgerath: Es ändert sich einfach sehr viel in kurzer Zeit. Wir müssen ständig up-to-date sein und es kommen immer neue Zahlen rein. Natürlich werden auch sehr viele gesellschaftliche Entwicklungen und Bewegungen deutlich, die es jetzt mehr als sonst zu thematisieren gilt, weil dieses Virus wie ein Brennglas auf unsere Gesellschaft scheint.
DOMRADIO.DE: Wie sieht es gerade in Spanien aus? Wie ist die Stimmung unter den Menschen während der Ausgangssperre?
Escobedo Söntgerath: Die Stimmung ist sehr angespannt. Ich war nur wenige Male draußen, als ich einkaufen war. Wir dürfen entweder zum Arzt oder zur Apotheke oder eben einkaufen und das auch nur alleine. Es gibt strikte Kontrollen von Autos. Wenn zwei Leute im Auto sitzen, muss man nachweisen, dass dies eine Notwendigkeit ist. Auch im Supermarkt habe ich eine sehr angespannte Stimmung erlebt. Alle versuchen, es so schnell wie möglich hinter sich zu bringen. Es wird kaum geredet und die Leute sind sehr besorgt.
DOMRADIO.DE: Es gibt also wenig sozialen Kontakt. Erlebst du denn auch Mitmenschlichkeit, etwa Nachbarn, die sich helfen? Gibt es da einen Unterschied zu vorher?
Escobedo Söntgerath: Auf jeden Fall. Das beobachtet man in Deutschland ja gerade auch. Man geht für ältere Menschen und für Risikogruppen einkaufen. Man hilft sich, wenn die Apotheke schon geschlossen und eine Person vielleicht Medikamente hat. Online passieren auch spannende Sachen. Zum Beispiel habe ich neulich gesehen, dass es nun die Option gibt, sich gegenseitig Briefe zu schreiben - insbesondere den Menschen, die krank sind und in den Krankenhäusern liegen. Menschen können sich bereit erklären, Post zu schicken, die Krankenschwestern verteilen diese dann. Das ist eine sehr schöne Aktion.
DOMRADIO.DE: Wie sieht die Situation in Spanien bezüglich der vielen Infizierten mit dem Coronavirus und die steigende Zahl an Verstorbenen aus? Ist das besorgniserregend, wenn alle zu Hause bleiben müssen und auf die nächsten Infos warten?
Escobedo Söntgerath: Ja, so empfinde ich es auf jeden Fall. Es werden natürlich auch immer Vergleiche gezogen. Zuletzt hieß es, dass die Zahl der Infizierten schneller steigt als in Italien zu ungefähr der gleichen Zeit. Das ist natürlich sehr besorgniserregend. Es werden auch im Krisenherd Madrid die ersten Not-Lazarette auf Messegeländen durch das Militär eingerichtet. Das ist natürlich alles sehr erschreckend. Gerade ist es auch wichtig, auf sich zu achten und zu überlegen, wie weit man sich dem Nachrichtenstrom hingeben möchte und wann es auch einfach mal reicht.
DOMRADIO.DE: Ministerpräsident Sánchez sprach von der größten Herausforderung seit dem Spanischen Bürgerkrieg in den 1930er Jahren. Der Ausnahmezustand in seinem Land sollte eigentlich bis Ende der Woche dauern. Jetzt ist klar: Er wird verlängert. Was gibt den Menschen in so einer Situation der Ungewissheit und unter besonderen Umständen in dieser verhängten Ausgangssperre Hoffnung?
Escobedo Söntgerath: Die Gegenseitigkeit, die Solidarität, die sich dadurch äußert, das zum Beispiel Konzerte und Musik stattfinden. Natürlich spielt immer auch der Glaube, gerade hier im Süden, der sehr katholisch geprägt ist wie ganz Spanien eigentlich, eine Rolle. Das gibt den Menschen auch Hoffnung. Es finden Online-Gottesdienste statt. Es gibt immer die Möglichkeit, mit Geistlichen zu sprechen und das hilft natürlich.
DOMRADIO.DE: Seelsorge wird also online oder per Telefon betrieben. Der Glaube ist etwas, an dem man sich in einer solchen Zeit festhält. Jetzt wurden allerdings die Osterprozessionen abgesagt. Die gehören eigentlich zum Kulturgut und sind den Menschen wichtig. In diesem Jahr hätte es einige Jubiläen gegeben. Was bedeutet das für die Spanier?
Escobedo Söntgerath: Das trifft einige natürlich ziemlich hart, denn es ist das wichtigste Fest. Einige sind sehr erschüttert, aber auch hier wird gerade überlegt, was für Möglichkeiten es gibt. Vielleicht kann man doch die ein oder andere Sache online stattfinden lassen, sodass man zumindest das Gefühl des Zusammenhalts, die diese Ostermärsche ja auch geben, noch aufrecht erhalten kann.
Das Interview führte Katharina Geiger.