Pessach in Jerusalem in Zeiten der Corona-Krise

Ausgangssperre und Angst vor Ausschreitungen

Das Fest der Auferstehung findet in diesem Jahr weltweit am Bildschirm statt. Auch im Heiligen Land gelten wegen des Coronavirus strenge Regeln. Das trifft nicht nur das Osterfest sondern auch Pessach und Ramadan. Ein Stimmungsbericht aus Jerusalem.

Pessach in einer Familie  / © Harald Oppitz/KNA  (KNA)
Pessach in einer Familie / © Harald Oppitz/KNA ( KNA )

DOMRADIO.DE: Corona trifft Pessach, Ostern, Ramadan. Was bekommen Sie davon in Jerusalem mit?

Dr. Georg Röwekamp (Leiter des Jerusalemer Büros des Deutschen Vereins vom Heiligen Land): Es gibt zum einen hier sehr strenge Ausgangsbestimmungen, so dass wir vor allen Dingen von unserer Wohnung aus mitbekommen, dass es um uns herum unglaublich still ist, wie wir das gar nicht kennen. Und wir wissen auch, dass heute Pessach ganz anders stattfinden wird als in den vergangenen Jahren. Das ist normalerweise ein Fest, wo sich die Großfamilien treffen, um gemeinsam den Seder-Abend zu begehen, zu erinnern an die Befreiung aus Ägypten. Dieses Jahr gibt es eben eine strenge Ausgangsbeschränkung, die gestern Nachmittag noch einmal verschärft worden ist. Nur die Kernfamilie dürfen sich treffen.

Es war zuerst überlegt worden, nur die ultraorthodoxen Viertel, wo das Virus sich besonders ausgebreitet hat, abzusperren. Das hat man dann aber doch nicht getan, sondern diese Ausgangssperre auf das ganze Land verhängt. Und von daher findet dieses wichtigste Fest des Judentums einfach unter ganz anderen Bedingungen statt als normal.

DOMRADIO.DE: Das kann man sich kaum vorstellen, dass die Menschen nicht gebührend mit den Familien feiern können, zumal die Israelis ja für ihren Familienzusammenhalt sehr bekannt sind.

Röwekamp: Absolut. Genau so ist es und deswegen fürchtet man auch, dass es gerade in diesen ultraorthodoxen Vierteln, wo es schon in den vergangenen Tagen heftige Auseinandersetzungen zwischen strenggläubigen Juden und der israelischen Polizei gegeben hat, auch heute wieder zu Problemen kommen wird. Aber das wird man sehen.

DOMRADIO.DE: In Deutschland gilt das Kontaktverbot, der einzuhaltende Mindestabstand, dass Gottesdienstverbot. Wie weit sind Sie von ähnlichen Einschränkungen in Israel persönlich betroffen?

Röwekamp: Hier gilt wirklich auch, dass man nicht an den großen Feierlichkeiten teilnehmen kann, bzw. sie finden gar nicht statt. Die große Palmsonntagsprozession ist ausgefallen. Es gab nur eine kleinen Wortgottesdienst am Ölberg mit einer Segnung der Stadt durch Erzbischof Pizzaballa.

Auch die Feiern in der Grabeskirche, wo ein paar Franziskaner ausharren, die von außen mit Lebensmitteln versorgt werden, sind nicht öffentlich zugänglich. Die kleinen Osterfeiern des Katholiken finden in der Konkathedrale in der Nähe des Jaffa-Tores statt. Und ganz persönlich bedeutet das auch: Wir können an keinen öffentlichen Gottesdiensten teilnehmen. Meine Frau und ich werden auch eine kleine Haus-Liturgie zu Hause feiern und schauen, wie es uns damit geht.

DOMRADIO.DE: Im Erzbistum Köln überträgt DOMRADIO.DE die wichtigsten Messen aus dem nahezu leeren Dom, mit einer Sondergenehmigung, sodass zumindest 20 Personen beteiligt sein können. Die Grabeskirche in Jerusalem ist natürlich auch geschlossen. Findet denn da drinnen trotzdem etwas statt?

Röwekamp: In der Grabeskirche findet die Feier statt. Die Franziskaner, die ja für die Katholiken dort die Rechte wahrnehmen, werden das tun. Aber auch hier gibt es eben nur Live-Übertragungen, und die kommen – soweit ist es bis jetzt geplant – aus der Konkathedrale.

Es hat einen Protest gegeben von kirchlicher Seite beim Staat Israel, weil an der Klagemauer noch öffentliche Gottesdienste erlaubt sind, auch da nur in Gruppen bis zu zehn Personen. Aber man empfindet das doch als eine Benachteiligung der Christen. Ob da noch kurzfristig eine Lösung kommen wird, ist, soweit ich weiß, noch nicht klar.

DOMRADIO.DE: Gerade um diese Zeit platzt Ihre Stadt üblicherweise aus allen Nähten. Wie sehr fehlt Ihnen das? Oder ist es vielleicht auch mal entspannt?

Röwekamp: Am Anfang habe ich diese Stille um uns herum wirklich genossen, weil Jerusalem – gerade da, wo wir leben, in der Nähe der Altstadt – auch eine laute Stadt ist. Jetzt ist es manchmal schon fast unheimlich. Und so schön es ist, dass man im Büro dazu kommt, manche Dinge zu erledigen, die sonst so lange liegenbleiben: Gerade zu Ostern fehlt es einfach sehr, weil Ostern eigentlich kein Fest ist, das man für sich alleine feiert. Sondern dazu gehört die lebendige Erfahrung. Und ich kann mir noch nicht vorstellen, dass eine Fernsehübertragung – sei es aus Köln, sei es aus der Co-Kathedrale von Jerusalem – das wirklich ersetzen kann.

Das Interview führte Tobias Fricke.


Georg Röwekamp / © Paul Sklorz (KNA)
Georg Röwekamp / © Paul Sklorz ( KNA )
Quelle:
DR