Experten raten zu Oster-Gaben mit Augenmaß

"Je jünger das Kind, desto kleiner das Geschenk"

Kinder bekommen immer mehr Geschenke. Das liegt auch an der Demografie, sagt ein Wissenschaftler. Viele Alte stehen wenigen Jungen gegenüber. Dennoch gibt es Wege, die Geschenk-Wut der Verwandtschaft einzudämmen.

Autor/in:
Anita Hirschbeck
Ostereiersuche / © Julie Subiry (KNA)
Ostereiersuche / © Julie Subiry ( KNA )

Puppen, Bauklötze, Sammelfiguren - in vielen Osternestern liegen neben Schoko-Hasen und Zuckereiern auch Spielsachen. Für die Spielwarenindustrie ist das eine gute Sache: Der deutsche Branchenverband bezeichnet Ostern als den wichtigsten Umsatzbringer nach Weihnachten. Ob die gestiegene materielle Zuwendung aber auch für Kinder ein Segen ist, bezweifeln Experten.

Geschenkeberge oft eine Überforderung

"Im schlechtesten Fall stellt der Geschenkeberg schlichtweg eine Überforderung dar", warnt Sozialwissenschaftlerin Heike Wiemert von der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen in Köln. Die Folge könnten sogar Krankheiten sein. "Die Konsumlaufbahnen von Kindern beginnen bereits im Babyalter", so Wiemert.

"Eingestiegen wird in der Familie." Mädchen und Jungen, die das ganze Jahr über viele Geschenke bekämen - an Ostern, Halloween, Nikolaus, Weihnachten - erlernten sozusagen sinnlosen Konsum. Es drohe die Gefahr, dass sie immer mehr Geschenke nicht nur erwarten, sondern auch fordern.

Dabei haben Experten laut Wiemert einen Zusammenhang zwischen Konsum-Mentalität und psychischen Erkrankungen festgestellt.

Depressive Verstimmungen und Beschwerden wie Bauchschmerzen seien möglich. "Je jünger das Kind, desto kleiner das Geschenk", rät die Forscherin.

Oft habe sie beobachtet, dass gerade kleine Kinder die Verpackung am interessantesten finden. Das Papier rege ihre Fantasie an, weil sich daraus etwas basteln ließe. "Beim Schenken kann man also gleich mitbedenken, inwiefern kindliche Bedürfnisse befriedigt werden und Geschenke an ihre kindliche Lebenswelt anschließen", sagt Wiemert.

Eltern sollten zudem ein Limit setzen. So lernten Kinder, Geschenken einen Wert beizumessen.

Problematisch wird es, wenn Eltern zwar eine Grenze vorgeben, Onkel, Taufpatin und Oma aber trotzdem etwas schenken wollen. "Ich kenne Eltern, die alle Geschenke einsammeln und dann den Kindern selbst zuteilen, was sie für richtig halten", sagt der Kultursoziologe Clemens Albrecht von der Universität Bonn.

Kinder bekommen immer mehr Geschenke

Auch der Gesellschaftswissenschaftler stellt fest, dass Kinder immer mehr Geschenke bekommen. Die Gründe lägen einerseits im gestiegenen Wohlstand und der Konsumkultur, andererseits in der Demografie. "Die gesammelte Geschenk-Wut der Verwandtschaft konzentriert sich auf die wenigen Kinder", erklärt Albrecht. Das falle an Ostern besonders auf, weil an diesem Fest Erwachsene Kindern etwas geben - aber von ihnen nichts bekommen. Zudem schenken sich die Älteren in der Regel auch nichts gegenseitig wie an Weihnachten.

Ostergeschenke sind dem Soziologen zufolge ein Nachkriegsphänomen. In den 1950er- und 1960er-Jahren habe es - wenn überhaupt - Süßigkeiten für die Kinder gegeben. Nach und nach seien Sachgeschenke hinzugekommen. Zudem gebe es immer mehr Geschenk-Anlässe, etwa Kindergeburtstage, an denen auch Geschwister von Verwandten oft eine Kleinigkeit bekämen.

Schenken unter Verwandten aufteilen

"Insgesamt scheint es ein starkes Bedürfnis zu geben, wo immer es geht, den Austausch zu erhöhen und auf diese Weise die Zuwendung zu dokumentieren", erklärt Albrecht. Mit Geschenken zeigten Erwachsene, dass sie eine gute Beziehung zu einem Kind hätten. "Man macht sich selbst fast die größere Freude, wenn sich die Kinder freuen", so der Soziologe. Deshalb sei es auch schwierig, dem Onkel und der Oma das Schenken ganz zu verbieten. "Das wäre fast wie eine schwere Verwerfung innerhalb der Familie."

Der Soziologe schlägt vor, das Schenken unter den Verwandten aufzuteilen, vor allem wenn die Feste ohnehin getrennt gefeiert werden. So sollten Großeltern, die die Kinder nicht an Ostern und nur an Weihnachten sehen, auch nur zu diesem Festtag etwas besorgen.

Neue Impulse für die Geschenke-Kultur kommen laut Wiemert und Albrecht durch das gewachsene Klimabewusstsein. Gerade Kinder und Jugendliche seien bereit, sich für die Umwelt einzusetzen, sagt Wiemert. Erwachsene machten sich mit Bergen von Geschenken daher unglaubwürdig. Insgesamt rät die Forscherin, Geschenken keine zu hohe Bedeutung beizumessen. Materieller Besitz sei entbehrlich, eine gute Beziehung zwischen Eltern und Kinder aber nicht.


Quelle:
KNA
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