Der aus der Haft entlassene australische Kardinal George Pell hat die Christen zum Annehmen von Leid ermuntert. Das gelte auch für Justizirrtümer, schreibt der 78-Jährige in einem Gastbeitrag zu Ostern für die Zeitung "Weekend Australian" (Samstag). Pell hatte 404 Tage im Gefängnis verbracht, bevor der Oberste Gerichtshof Australiens seine Verurteilung zu sechs Jahren Haft wegen sexuellen Missbrauchs am Dienstag aufhob.
Pell bekräftigte erneut seine Unschuld und forderte die Christen auf, den Leidenden während der Corona-Pandemie zu helfen. "Christen sehen Christus in jedem, der leidet - Opfer, Kranke, Ältere - und sie sind verpflichtet zu helfen."
Kardinal Pell: Leiden in spirituelle Energie umgewandelt
Der Kardinal schreibt weiter, er habe 13 Monate im Gefängnis verbracht "für ein Verbrechen, das ich nicht begangen habe"; eine Enttäuschung sei der nächsten gefolgt. "Aber mit jedem neuen Schlag war es ein Trost zu wissen, dass ich sie für einen guten Zweck vor Gott bringen und das Leiden in spirituelle Energie verwandeln konnte", so Pell.
Der frühere vatikanische Wirtschaftsminister war Ende 2018 wegen des Vorwurfs sexuellen Missbrauchs von zwei Chorknaben zu sechs Jahren Haft verurteilt worden. Die Jury fasste den Schuldspruch einzig auf Basis der Aussage eines der angeblichen Opfer. Das Höchstgericht befand jedoch nun einstimmig, die Jury hätte aufgrund der Beweislage Zweifel an der Schuld des Angeklagten haben müssen. Seit Dienstag ist Pell auf freiem Fuß.
Bei Pells Kritikern und bei Missbrauchsopfern stieß der Freispruch auf Entsetzen. Kurz nach seiner Freilassung wurde an die Kathedrale von Melbourne der Satz gesprüht: "Verrotte in der Hölle, Pell".