"Diese Wochen fordern von uns einen Beweis, dass wir als Gesellschaft zu einer neuen Gemeinsamkeit bereit sind; zu einem neuen Denken mit offenen Herzen und dem Blick für den Nächsten", schreibt der Kölner Erzbischof in der "Welt am Sonntag".
"Die Hölle, das sind also nicht die anderen, sondern dieser gefühlte Stillstand", fügte Woelki mit Blick auf ein Buch des Schriftstellers Jean-Paul Sartre hinzu. Viele Menschen vermissten in diesen Tagen "vermehrt das, was Leben und Lebendigkeit ausmacht: Dynamik, Veränderung, Bewegung - nicht nur im körperlichen Sinn. Gemeint sind die vielen kleinen Begegnungen im Alltag mit anderen Menschen, das Grundrauschen der Stadt, Austausch und kleine Interaktionen, und sei es nur an der Supermarktkasse. Es fehlt, etwas Neues kennenzulernen, einen Film im Kino zu schauen, jemanden zu besuchen oder zu verreisen."
Anstoß auch für die Seelsorge
Er sei dankbar, dass gerade in diesen Zeiten so etwas wie ein neuer Gemeinsinn entstanden sei, betonte der Kardinal. "Es ist deutlich, dass wir nur mit einem gemeinsamen Verantwortungsbewusstsein aller erfolgreich durch diese Krise steuern können." Zahllose Menschen seien über sich hinausgewachsen. Ärzte und Pfleger, Ordnungskräfte und politischen Verantwortungsträger seien - ungeachtet der Bedrohung für die eigene Gesundheit - zu einem Segen für andere geworden.
Auch für die Seelsorge sei diese Situation ein Anstoß, gewohnte Routinen zu überdenken und gegebenenfalls zu verlassen, erklärte der Erzbischof. "Ein digitaler Gottesdienst kann die echte Begegnung untereinander und mit Gott in einer Messfeier nicht ersetzen. Aber die Gläubigen zusätzlich auch digital zu evangelisieren, neue Gruppen zu erreichen und an einer Gemeinschaft von Gläubigen im Netz zu arbeiten, ist im 21. Jahrhundert schlicht an der Zeit", betonte Woelki.