Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz wollte keine Zweifel aufkommen lassen. "Das ist tatsächlich ein Schuldbekenntnis", sagte Georg Bätzing über das am Mittwoch vorgestellte Wort der Bischöfe zum Ende des Zweiten Weltkriegs vor 75 Jahren.
Zugleich räumte der Limburger Bischof ein, es sei ihm und seinen Mitbrüdern nicht leichtgefallen, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. "Denn wir wissen, dass uns die Rolle des Richters über unsere Vorgänger nicht gut zu Gesicht steht."
Sehr klare Aussagen
Gleichwohl finden sich in dem 23-seitigen Papier einige sehr klare Aussagen. "Indem die Bischöfe dem Krieg kein eindeutiges 'Nein' entgegenstellten, sondern die meisten von ihnen den Willen zum Durchhalten stärkten, machten sie sich mitschuldig am Krieg", heißt es etwa. "Auch gegen die ungeheuerlichen Verbrechen an den als 'rassenfremd' diskriminierten und verfolgten Anderen, insbesondere den Juden, erhob sich in der Kirche in Deutschland kaum eine Stimme."
Bereits im Vorfeld war angekündigt worden, erstmals würden sich die Bischöfe "systematisch zur Haltung ihrer Vorgänger zum Zweiten Weltkrieg" äußern. Die Messlatte lag also hoch - obwohl es sich nicht um die erste Einlassung kirchlicher Spitzenvertreter in Deutschland handelte.
Da gab es beispielsweise den berühmten Briefwechsel zwischen polnischen und deutschen Bischöfen 1965, der die Aussöhnung beider Länder nach dem Krieg entscheidend voranbrachte. Die polnischen Oberhirten schrieben damals, sie wollten Vergebung gewähren und um Vergebung bitten. Zwei Wochen später antworteten die deutschen Bischöfe unter anderem: "Furchtbares ist von Deutschen und im Namen des deutschen Volkes dem polnischen Volk angetan worden. So bitten auch wir zu vergessen, ja wir bitten zu verzeihen."
Zum 50. Jahrestag des Kriegsendes, 1995, äußerten sich die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und Bischofskonferenz gemeinsam. Das taten sie zuletzt auch Ende Januar, als Kardinal Reinhard Marx und der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm an den 75. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz erinnerten.
Vereinzelt habe es "echten Heldenmut" gegeben, so der Erzbischof von München und Freising und der bayerische evangelische Landesbischof.
"Doch dürfen wir nicht darüber hinwegsehen, dass viele Christen mit dem nationalsozialistischen Regime kollaboriert, zur Verfolgung der Juden geschwiegen oder ihr sogar Vorschub geleistet haben."
Einen ähnlichen Ton schlägt auch das jetzt vorgelegte Wort der Bischöfe an. Das Schreiben gibt den Stand der Forschung wieder - zweifellos ein Verdienst der in Bonn ansässigen Kommission für Zeitgeschichte, einem von den Bischöfen seit 1962 unterstützten Gremium aus Historikern und Wissenschaftlern anderer Disziplinen.
Historiker zollt Respekt
Kenner der Materie wie der Münsteraner Historiker Olaf Blaschke, der der Kommission nicht angehört, zollen Respekt: Insgesamt entspreche das Dokument der Tendenz, die Täterforschung auf "ganz normale Männern" auszuweiten. "Jetzt erweisen sich auch die Oberhirten als ganz normale Kirchenmänner, die sich nicht mehr einmütig mit dem Opfer- und Widerstandsnarrativ schmücken können, sondern die 'eigenen Verstrickungen' einräumen, wenn sie auch in ihrem historischen Kontext zu interpretieren sind."
Ein gutes halbes Jahr dauerten die Arbeiten an dem Papier. Die Koordination lag bei der Kommission Justitia et Pax (Gerechtigkeit und Frieden). Sie suchte den Kontakt unter anderem zu den Bischofskonferenzen von Polen und Frankreich, beides Nachbarländer, die durch die Besatzung während des Zweiten Weltkriegs in besonderer Weise mit Deutschland verbunden sind. Von einem "komplexen Unterfangen" sprach der für Justitia et Pax zuständige Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer.
Vielleicht liegt es daran, dass die Erklärung sprachlich eher trocken geraten ist. Bischof Bätzing richtete unterdessen den Blick nach vorn. "Wir dürfen uns nicht zurücklehnen." Es gelte, gegen neue Formen von Nationalismus und Antisemitismus entschieden Stellung zu beziehen. Das "Schuldbekenntnis", am 75. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Dachau präsentiert, ist damit auch Auftrag für die Zukunft.