Kirchen in den USA brechen in Corona-Zeiten die Spenden weg

Leere Gotteshäuser, leere Klingelbeutel

Die Kirchen in den USA erreichen in der Pandemie mehr Gläubige - allerdings nur via TV und Internet. Die Gotteshäuser bleiben leer und damit auch die Klingelbeutel. Für einige Gemeinden stellt sich die Existenzfrage.

Autor/in:
Thomas Spang
Ein Mann wirft Geld in einen Klingelbeutel während eines Gottesdienstes / © Cristian Gennari (KNA)
Ein Mann wirft Geld in einen Klingelbeutel während eines Gottesdienstes / © Cristian Gennari ( KNA )

Die Diözese Arlington ist im Alarmzustand. Das Bistum vor den Toren der amerikanischen Hauptstadt bittet die Gläubigen «dringend» um Spenden für die Wohlfahrtsorganisationen. Denn mit der gleichen Geschwindigkeit, mit der sich das Coronavirus verbreitet, gehen die Einnahmen aus den Kollekten zurück. Zu Ostern blieben die Klingelbeutel so leer wie die Kirchen.

Finanzieller Schlag für Kirchen

Die katholische Kirche in den USA erlebt derzeit einen finanziellen Doppelschlag. Die Entschädigungen für Missbrauchsopfer trieben die Diözesen schon vor der Pandemie an den Rand der Zahlungsunfähigkeit. Einige meldeten bereits Insolvenz an. Die wegen des Virus geschlossenen Kirchen verstärken das Finanzdilemma nun weiter.

Die Erzdiözese New York bezifferte den Rückgang ihres Spendenaufkommens auf die Hälfte. Ähnlich wie der katholischen Kirche geht es auch den protestantischen Kirchen in Zeiten von Corona. Mehr als ein Drittel der Gemeinden geben an, bis zu 20 Prozent weniger an Zuwendungen erhalten zu haben. Jede fünfte Gemeinde rechnet einen Spendenverlust um die Hälfte des Üblichen vor. Eine von zehn beklagt sogar einen Rückgang um drei Viertel, wie eine aktuelle Umfrage der «National Association of Evangelicals» belegt.

Keine Rücklagen und kaum Spenden

Den Abwärtstrend bestätigt auch das evangelikale "Billy Graham Zentrum". 60 Prozent der Pastoren berichten von schwindenden Spenden. Hinzu kommt, dass etwa ein Drittel aller Kirchen in den USA über keinerlei Rücklagen verfügt, wie die Forschungsstelle "National Congregations Study" an der University of Chicago schon im vergangenen Jahr ermittelte.

Das akute Finanzproblem sei nicht das wichtigste für eine Kirche, so die Bischöfin der Episkopalkirche, Mariann Budde. Wenn die Kirche Geld an die erste Stelle setze, dann solle sie sich schämen. «Wir müssen tun, was richtig ist.» Doch das wird ohne milde Gaben immer schwieriger. Ein Vergleich belegt, dass die Corona-Pandemie ein größeres Loch in die Kirchenkassen reißt als die Finanzkrise 2008.

Vor allem kleinere Gemeinden betroffen

Die aktuelle Spendenflaute trifft vor allem kleinere Gemeinden in ländlichen Regionen. Die «East St. Peter Missionary Baptist Church» in der Nähe von Oxford im Bundesstaat Mississippi hat inzwischen Personal entlassen müssen, berichtete Pastor Rickey Scott der «Washington Post» - von der Sekretärin bis zum Kirchenmusiker.

Online-Spendenaufrufe verpuffen, weil in der Provinz nur die Hälfte der Gemeinden an das Netz angeschlossen ist. Ältere Gläubige werden kaum erreicht, da sie mit der Technik fremdeln. Andere können sich den Internetanschluss schlicht nicht leisten - vor allem jetzt, da massenhaft Jobs verloren gehen.

Vor diesem Hintergrund erntete der evangelikale Wohlstandsprediger Kenneth Copeland massive Kritik mit der Forderung, die Gläubigen mögen bitte weiterhin ihren Zehnten an die Kirchen zahlen - selbst wenn sie ihren Arbeitsplatz verloren haben.

Hilfe vom regierungsprogramm für kleine Unternehmen

Die meisten katholischen Diözesen können Hilfe über das Regierungsprogramm für kleine Unternehmen beantragen, um die Gehälter der Kirchenangestellten sicherzustellen. Das betrifft rund 8.000 Pfarreien, so Patrick Markey, Direktor der Diözesan-Finanzverwaltungs-Konferenz in der «Washington Post». 20 Prozent der Antragsteller erhielten inzwischen Bundeshilfe.

Die Kirchenlandschaft in den USA könnte sich nach Ansicht von Experten dramatisch verändern. Die landläufige Meinung, dass große Krisen die Menschen der Kirche wieder näher bringen, hält der Soziologe Mark Chaves für trügerisch. Das Gegenteil sei der Fall, so der Direktor der «National Congregations Study». Denn Rezessionen seien wegen der finanziellen Auswirkungen «für die Kirchen sehr schwierig wegzustecken». Das spürt Joseph Lajoie schon jetzt. Der katholische Pfarrer der «Sacred Heart Parish»-Gemeinde in Denver beurteilt die Pandemie als «potenziell lähmend». Es sei «ein tödlicher Schlag für die Gemeinden», dass der Klingelbeutel nicht  mehr durch die Reihen gereicht werden könne.


Der Klingelbeutel geht rum / ©  Jens Wolf (dpa)
Der Klingelbeutel geht rum / © Jens Wolf ( dpa )
Quelle:
KNA