Ist ein Corona-Bonus für Abiturienten eine gute Idee?

"Wenn alle den Bonus bekommen, hilft der keinem"

In Corona-Zeiten das Abitur "bauen"? Viele Schüler stehen vor der Herausforderung, nach Wochen im "Homeschooling" ihre Reifeprüfung abzulegen. Kommt da nicht ein "Corona-Bonus", der schlechte Abiturnoten aufwerten soll, sehr gelegen?

Corona-Bonus für Abitur / © panitanphoto (shutterstock)
Corona-Bonus für Abitur / © panitanphoto ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Der Deutsche Hochschulverband fordert einen Corona-Bonus für den Fall, dass das diesjährige Abitur im Gesamtdurchschnitt deutlich schlechter ausfallen sollte als in den vergangenen Jahren. Corona dürfe nicht den Lebenslauf eines ganzen Jahrgangs abwerten, heißt es. Sollten beispielsweise die Abiturnoten im Schnitt 0,4 oder 0,5 Punkte schlechter sein als in den Vorjahren, müsse es einen "Nachteilsausgleich" geben. Im Gegenzug müssten die Abiturzeugnisse nicht geändert werden. Wie sehen Sie denn diesen Corona-Bonus? Ist der sinnvoll?

Prof. Dr. Hans Hobelsberger (Direktor der Katholischen Hochschule NRW): Ich glaube, darauf kann ich keine direkte Antwort geben. Ich bin da eher etwas skeptisch. Wenn alle den Bonus bekommen, hilft der keinem. Wenn allerdings schlechtere Schüler den Bonus bekommen, dann ist das für die, die bessere Noten haben, natürlich ungerecht.

Ich würde insgesamt sagen - zumindest wenn es um die Bewerbung an unserer Hochschule geht -, dass die Abiturnote nur ein Faktor ist. Wir haben auch andere Faktoren wie gesellschaftliches Engagement, sodass wir zumindest an unserer Hochschule die Abiturnote nicht so hoch werten würden.

DOMRADIO.DE: Wie genau soll dieser Bonus aussehen? Können Sie uns das nochmal erklären?

Hobelsberger: Es gibt unterschiedliche Modelle. Die einen sagen, alles soll 0,4 oder 0,5 höher bewertet werden, vorausgesetzt, dass die Abiturnote signifikant schlechter werde als zuvor.

Der andere Vorschlag ist, nur die etwas Schlechteren höher zu bewerten. Aber die Voraussetzungen bei all diesen Modellen ist, dass es wirklich schlechtere Abiturnoten gibt. Das müssen wir erstmal abwarten.

Ich hoffe auch, dass die, die die Abituraufgaben gestellt haben, in diesem Jahr die Situation berücksichtigt haben und den Stoff, der im letzten halben Jahr dran gewesen wäre, nicht im Abitur abfragen. Das sind die Dinge, die man aber erst abwarten muss.

DOMRADIO.DE: Es geht um Punkte wie Fairness und Gerechtigkeit. Ist das ein bisschen unfair in diesem Jahr? Schließlich konnte man ja nur zu Hause lernen. Und Lernen ist ja nicht für jeden das gleiche Lernen. Man braucht ja auch teilweise Leute, die ein mitziehen. Man braucht auch Lehrkräfte, die einen motivieren und denen man Fragen stellen kann. All das war dieses Jahr nicht möglich. Vielleicht waren die Schülerinnen und Schüler auch nicht so richtig darauf vorbereitet, dass man jetzt plötzlich auf sich allein gestellt ist, oder?

Hobelsberger: Ja, das glaube ich schon. Es sind natürlich die bevorteilt, die vorher gelernt haben, selbstständig zu arbeiten. Natürlich muss man auch sagen, dass die einen Vorteil haben, die auch die entsprechende technische Ausstattung zu Hause haben und vielleicht dann auch die entsprechende Unterstützung, weil die Eltern sich Nachhilfe leisten können und Ähnliches.

Ich glaube schon, dass sich in diesem Jahr die Bildungsungleichheit, die wir in Deutschland nach wie vor haben, gerade in der Corona-Zeit deutlich ausgewirkt hat. Das sehe ich schon so.

DOMRADIO.DE: Dann könnte man jetzt auch sagen, dass der Corona-Bonus, der jetzt im Gespräch ist, auch eine Art Beweis dafür ist, dass unser Bildungssystem eigentlich ein großes Update braucht, oder?

Hobelsberger: Das ist natürlich eine große Forderung, die an einem Beispiel aufgehangen wird. Aber Sie haben absolut recht, dass wir uns im Bildungssystem neu orientieren müssen. Wir haben kaum Erfahrung damit, wie die ganzen Online-Formate aussehen sollen. Gut, bei uns an der Hochschule bieten wir seit fast 30 Jahren einzelne Veranstaltungen online an. Aber richtige Erkenntnisse, wie sich das auf die Qualität auswirkt, gibt es noch nicht.

Ich hoffe natürlich, dass man aufgrund dieser Ereignisse auch anfängt, in diesem Bereich zu forschen. Wir brauchen belastbare Ergebnisse, wie sich die Online-Formate auswirken. Außerdem muss die Infrastruktur geschaffen werden, die in Deutschland ja bekannterweise dafür noch in den Kinderschuhen steckt.

DOMRADIO.DE: Da ist noch viel Luft nach oben. Sie sagten, bei Ihnen kommt es nicht nur auf die Abiturnoten an. Was ist an der Katholischen Hochschule anders? Können Sie sagen, auf welche Kriterien da auch noch geachtet wird?

Hobelsberger: Die Abiturnote ist natürlich nach wie vor ein Kriterium. Aber es wird vor allem auch darauf geachtet, welches gesellschaftliche Engagement die jungen Menschen mitbringen. Haben sie einen Freiwilligendienst gemacht, haben sie ein freiwilliges soziales Jahr absolviert? Dafür gibt es dann Punkte, die zusammengezählt werden und dann werden der Liste nach, wer die meisten Punkte hat, die Studienplätze vergeben.


Quelle:
DR