Seligsprechung der Eltern von Johannes Paul II.?

Kein "frommes Beiwerk"

Die Eltern von Papst Johannes Paul II. haben sein Leben geprägt. Sie sollen seliggesprochen werden. Aber: Reicht aus, dass sie die Eltern eines Heiligen Papstes sind? Und welche politischen Motive könnten hinter dem Prozess stecken?

Statue von Johannes Paul II. vor seinem Elternhaus in Wadowice, Polen / © piotrbb (shutterstock)
Statue von Johannes Paul II. vor seinem Elternhaus in Wadowice, Polen / © piotrbb ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Wer waren denn die Eltern von Johannes Paul II.?

Ulrich Nersinger (Vatikan-Experte): Ein bisschen ist uns bekannt. Aber so richtig sind wir noch nicht mit den beiden vertraut. Das wird jetzt auch die Aufgabe des Seligsprechungsprozesses sein. Da müssen wir uns alle ein bisschen überraschen lassen. Es ist auch eine Besonderheit.

Ich kann mich daran erinnern, dass vor einem Jahr, als die Nachrichten aufkamen, dass die Eltern von Johannes Paul II. selig oder heiliggesprochen werden sollten, ein anerkannter Papst Historiker, René Schlott, gegenüber DOMRADIO.DE dann doch Unbehagen und Verwunderung geäußert hat. Er nannte das ein "Politikum". Das kann ich sogar teilweise nachvollziehen. Aber ich denke, so eine Seligsprechung oder Heiligsprechung von Eltern hat ganz besondere Komponenten. Da sollte man ruhig mal drauf schauen.

DOMRADIO.DE: Bei einer Heiligsprechung muss ja beispielsweise bewiesen werden, ob es Wunder gegeben hat. Wie sieht das bei einer Seligsprechung aus? Wie sind da die Voraussetzungen?

Nersinger: Im Grunde läuft das bei Seligsprechungen genauso. Wir sind auch jetzt erst in der Anfangsphase des Prozesses. Da wird man drauf schauen, was zunächst einmal die Heiligkeit ausgemacht haben soll. Denn zunächst einmal muss nachgewiesen werden, dass diese beiden auch den normalen Kriterien eines Prozesses entsprechen. Das ist der "Ruf der Heiligkeit". Das ist die Existenz von einem heiligmäßigen Leben.

DOMRADIO.DE: Dann ist es durchaus ungewöhnlich, dass die Eltern von Heiligen seliggesprochen werden, weil sie die Eltern von einem Heiligen sind?

Nersinger: Ja, da ist ein gewisser Denkfehler drin. Es darf nicht so sein, dass man jetzt die Eltern von Heiligen als frommes Beiwerk für den Heiligen nehmen. Das wäre genau das, was Johannes Paul II. nicht wollte. Er ist derjenige, der die Gedanken des Zweiten Vatikanischen Konzils zur Heiligkeit konkretisiert hat.

Denn in Lumen Gentium, in einem Konzilsdokument, haben wir den Aufruf zur Heiligkeit. Das wollte er ganz besonders unterstrichen sehen. Er wollte eben nicht nur die üblichen Heiligen aus Orden oder aus Priesterkreisen haben, sondern er hat sich ganz besonders dafür eingesetzt, dass auch ganz normale Laien, vor allem Ehepaare, anerkannt werden in ihrer Heiligkeit. Daher ist das, was wir haben, eine große Chance.

DOMRADIO.DE: Wenn wir jetzt nochmal zu den Eltern von Johannes Paul II. kommen: Angeschoben hat dieses Verfahren ja der emeritierte Erzbischof von Krakau, Kardinal Dziwisz im Jahr 2018. Er war lange Zeit der persönliche Sekretär von Johannes Paul II. Stecken da auch kirchenpolitische Interessen hinter?

Nersinger: Natürlich. Das sollten wir gar nicht leugnen. Aber ich denke, darüber hinaus haben wir auch eine große Chance bei den Eltern. Denn die Eltern eines Heiligen sind ja für sein weiteres Leben prägend.

Ich darf da vielleicht auf einen besonderen Fall hinweisen: Das sind die Eltern von Oscar Romero, der ja auch heiliggesprochen wurde. Da haben wir das Interessante, dass ein Elternteil durch eine enorme Heiligkeit überzeugt hat: die Mutter, die mit ihren Kindern eine Hauskirche geformt hat, die mit ihnen gebetet hat, jeden Abend Rosenkranz mit ihnen gebetet hat. Der Vater war ein anderer Typ. Ich will nicht sagen a-religiös, aber er war eine Art Lebemann. Es gab auch uneheliche Kinder von ihm. Das zeigt, wie ein Elternteil oder beide Eltern einen Heiligen prägen können. Das scheint nun bei Johannes Paul II. ganz besonders stark gewesen zu sein.

Auch über diese Personen hinaus ist das auch ein Ansporn für Eltern, in der heutigen Zeit, ein Ideal der Heiligkeit zu leben und an Kinder weiterzugeben. Ich glaube, das ist eigentlich die Essenz. Man sollte das garnicht so auf die konkreten Personen beziehen. Man muss natürlich ganz klar sehen, da sind die und die Leute, aber sie sind eher ein Beispiel für das, was wir im normalen Alltag tun sollten.

DOMRADIO.DE: Jetzt könnte man aber auch ein politisches Motiv vermuten: die Gesellschaft in Polen steht zwischen traditionellem Katholizismus und modernen Aufbrüchen. Könnte das eine Rolle gespielt haben bei diesem Vorstoß der Seligsprechung?

Nersinger: Mit Sicherheit. Bei solchen Prozessen mischen sich immer verschiedene Motive in dieses Anliegen, jemandem heilig zu sprechen. Das zieht sich durch die ganze Kirchengeschichte. Das soll man auch nicht leugnen, das soll man auch sehen. Aber man muss da natürlich darauf achten, dass das nicht die wichtigste Komponente ist, sondern dass das ein Aspekt ist.

Wenn das der alleinige Aspekt ist, dann muss man natürlich gewisse Vorsicht walten lassen. Aber ich denke, das wird man mir vor allen Dingen dann in der römischen Phase des Prozesses sehen. So, wie ich die Römer kenne, legen die sehr Wert drauf, das auch sehr neutral zu sehen.

DOMRADIO.DE: Wie glauben Sie, steht denn Papst Franziskus zu der Seligsprechung der Eltern seines Vorgängers?

Nersinger: Vom Prinzip her, von der Idee, ist er bestimmt angetan. Aber ich denke, er wird das der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse überlassen. Er wird sich da nicht groß einmischen, glaube ich. Und er wird versuchen, die positiven Elemente zu sehen.

Das Interview führte Heike Sicconi.


 

Ulrich Nersinger trifft Franziskus / © privat
Ulrich Nersinger trifft Franziskus / © privat
Quelle:
DR